Abschrift
Die Agilsten und Aggressivsten sind offensichtlich in den Schacht 29 gekommen. Bei den Ukrainern, bei den Polen, auch bei einigen Balten gab es Vertrauensleute, Autoritäten, die ernsthaft dafür waren, dass nun gestreikt wurde. Dort wurde also gestreikt, und dort spitzte sich das zu: Die verlangten Kommissionen. Da kam aus Moskau eine Kommission. Die hat nur einen Teil ihrer Wünsche erfüllen wollen – und vor allen Dingen nicht, sie zu entlassen und ihr Strafmaß zu mildern. Sie sagten: ´Wie ihr seht, haben wir mehr in die Kantine gebracht. Künftig dürfen die Bestarbeiter mal eine Woche faulenzen, und jeder kann im Jahr einmal drei Tage Besuch durch Frau oder Mutter kriegen`.
Das lehnten, vor allem die, die aus Karaganda gekommen waren, ab. Und so kam's zu der Auseinandersetzung am Tor. Einige behaupteten, zuerst habe einer in die draußen stehenden Wachtruppen und Offiziersgruppen ein Stück Holz geworfen, so dass denen die Geduld gerissen sei und einer geschossen habe. Ein anderer sagte: ´Nein, wir haben nichts geworfen, erst nachher, als die geschossen haben`. Das ging hin und her, man beschimpfte einander, und einer der Offiziere hat daraufhin die Pistole gezogen und sich die Beschimpfungen nicht gefallen lassen. Er hat geschossen. Als das am Tor los ging, schossen automatisch die Wachposten. Schwere MGs waren sicherheitshalber zu dieser Demonstration, zu dieser Auseinandersetzung angebracht worden. Ich weiß nicht, wie viele Tote es gab: Insgesamt waren es wohl 200, 250 Tote und Schwerverletzte. Die Rädelsführer wurden dann woanders hingebracht. Aber es wurde wohl keiner mehr zum Tode verurteilt und exekutiert.
Roland Bude, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de