Abschrift
Und so kamen wir in Workuta an: gleißender Sonnenschein, Schnee. Wir waren fast geblendet. Vor allem aber benahmen wir uns falsch in dem scharfen Wind: Nun standen wir also da [zeigt, wie er den Mantel fest um sich schlingt]. Nachher wurde uns gesagt, es wären 58 Grad Kälte gewesen. Kaum standen wir da, kamen irgendwelche Russen angelaufen, stießen uns in den Schnee und rieben uns das Gesicht mit Schnee ab. Die ersten hatten bereits die weißen Flecken vom Frost. Wir waren halt noch völlig untrainiert, wie man sich gegen den Wind einrichtet, wann man sich etwas vorzuhalten hat [verdeckt sein Gesicht mit den Händen]. Außerdem hatten wir noch keine Schutzkleidung. Später kriegten wir so komische Gesichtsmasken zum Umbinden, die die schlimmste Kälte abhielten, die Nase, Backenknochen und Kinn schützten.
Dann kamen wir in eine Baracke, da waren Deutsche aus der Mandschurei, aus Karbien. Das waren alles Leute, die '45 zehn Jahre [Haft] bekommen hatten, als die Sowjetunion dort einmarschierte. Die waren hier in dem Lager zur Entlassung. Die nahmen sich unserer wirklich an und machten uns klar: Wir müssten aufpassen. Wir sollten nicht [allein] rausgehen, immer nur mit einem von ihnen zusammen – selbst, wenn wir die Latrine besuchten. Wir hatten keinen Platz am Fußboden; es war kein Platz mehr, keine Pritschen. Als es zum Schlafen ging, legten wir uns auf den Fußboden, der zum Teil von Reif angefroren war.
Was die an Eisenhaken und an Eisenstangen kriegen konnten, legten die in die Glut des gemauerten Lehmofens. ´Wozu ist denn das?` Sie sagten: ´Nachts greifen uns die Kriminellen an, und das ist das Einzige, womit wir uns derer erwehren können`. Und in den nächsten Tagen merkten wir es selbst: Die entledigten uns all unserer Zivil-Kleidungsstücke, die wir noch hatten. Wir fragten, warum wir denn nicht nach den Posten rufen könnten? Und da sagten die: ´Ihr werdet noch merken, wie die Posten mit den Kriminellen unter einer Decke stecken`. Nachts gab es dann also die Schlacht. Unsere Stube behauptete sich, nicht dank unseres Verdienst. Uns gingen die Augen über, wo wir da hingekommen waren.
Roland Bude, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de