Die Aktionen der Friedensgemeinschaft wirken: Jenaer Schüler diskutieren
Die Aktionen der Friedensgemeinschaft Jena (FG) zielen darauf, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Da den oppositionellen Kreisen in der DDR der Zugang zu den Medien versperrt ist, bleiben der FG Jena nur wenige Möglichkeiten, ihre Anliegen bekannt zu machen. Selbst der Kauf einer Schreibmaschine oder einer größeren Menge Papier wird genau registriert. Besonders wichtig sind deshalb Aktionen, bei denen die Mitglieder der FG gemeinsam auf der Straße auftreten. Am 18. März 1983 nehmen sie mit selbst gemachten Plakaten an der staatlich organisierten Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag der Bombardierung Jenas teil.
Obwohl die Staatsmacht sie dort schnell aus dem Verkehr zieht, gelingt es der FG Jena, Aufmerksamkeit zu erregen – besonders bei jungen Leuten. In den folgenden Tagen wird an mehreren Jenaer Schulen über die Aktion diskutiert. Und über den harten Einsatz der Sicherheitsorgane.
Der ausführliche Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) teilt darüber Folgendes mit: „Die meisten Informationen (über das Auftreten der Friedensgemeinschaft) erhielten die FDJler und Lehrer entweder danach am gleichen Tag oder an den Folgetagen durch Diskussionen. Solche Meinungen und Diskussionen beinhalteten folgendes: Eine Gruppe ,Gammler`, so wird das meistens bezeichnet, aus dem Jenaer Untergrund sei mit Plakaten und wie Gammler gekleidet, von der Rückseite des Marktes zwischen die Teilnehmer gegangen. Sie hätten Plakate mit unterschiedlichen Aufschriften getragen [...] Einige Schüler sagten, es hätte vereinzelt Auseinandersetzungen mit diesen Gruppen gegeben [...].“
Die Friedensarbeit wirkt: Kontroverse Diskussionen an Schulen
Ein Schüler der neunten Klasse, der Verständnis für das Auftreten der FG Jena äußert, wird vom IM so beschrieben: „Seine grundlegende Meinung ist, was denn schon dabei sei, wenn andere solche Plakate tragen. Dieser Schüler tritt aber auch sehr häufig im Schulkollektiv, auch gegenüber Lehrern, sehr undiszipliniert auf“ (Bildergalerie).
Ein weiterer IM-Bericht betont, auf welch gefährliche Weise oppositionelle Gruppen Schüler beeinflussen: „Zunächst haben sich diese Veranstaltungen der Jungen Gemeinde innerhalb unserer Oberschulen nicht direkt widergespiegelt. Es fällt aber auf, daß bei Diskussionen im Staatsbürgerkundeunterricht und bei Diskussionen in den Beratungen der FDJ-Gruppen sich regelmäßig ein Teil der Schüler dann zurückhält, wenn es um Verteidigungsfragen geht und das persönliche Engagement beim Schutze unserer Republik.“
Diese Zurückhaltung, so der IM, sei von der Jungen Gemeinde beziehungsweise der FG gesteuert. Ihren Aktivitäten sei es zu verdanken, dass Schüler im Wehrunterricht wie folgt argumentierten: „[...] wenn sich die internationale Lage so stark verschärft hat, dann könnte man doch eigentlich in einem Land mit der Abrüstung beginnen. Man sprach davon, dass eventuell die Sowjetunion mit gutem Beispiel vorangehen könne und das Wort `einer muss den Anfang machen´ tauchte in dieser Zeit zum ersten Mal auf."
In den Berichten zeigt sich deutlich, welch große Nachwirkungen das Engagement der Friedensgemeinschaft in Jena hat.
Zitierempfehlung: „Schülerreaktionen“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung November 2022, www.jugendopposition.de/145388