Detlef Pump (2. von links) im Juni 1976 mit Freunden auf einer Wanderung ins Umland Jenas. Rechts von ihm sitzen Uwe Behr und Thomas Auerbach. Beide werden wenige Monate später ins Gefängnis gesteckt, weil sie gegen die Ausbürgerung Biermanns protestiert haben. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz / RHG_Fo_HAB_10766
Detlef Pump verweigert den Wehrdienst aus politischen Gründen und wird für zwei Jahre inhaftiert. Das Foto zeigt ihn am 1. Mai 1977 bei einer Wanderung mit Freunden zur Lutherkanzel bei Jena. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz / RHG_Fo_HAB_12077
Am 8. März 1977 schreibt Detlef Pump dem Wehrkreiskommando, dass er aus politischen Gründen den Wehrdienst verweigert. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fak_0538
Schwere Zuchthausarbeit: Neben dem Gleisbau müssen inhaftierte Wehrdienstverweigerer auch Ton abbauen. Im Bild: eine Tongrube auf der Insel Rügen. Quelle: Privatarchiv Hans-Herrmann Dirksen
Stumme Zeugen des Unrechts: Verfallene Gebäude einer ehemaligen Haftanstalt für Wehrdienst-Totalverweigerer. Aufnahme aus den 1990er Jahren. Quelle: Privatarchiv Hans-Herrmann Dirksen
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ – Detlef Pump als lebendes Zitat, aufgenommen 1980 kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Olaf Weißbach
Am 3. Mai 1990 demonstrieren etwa 200 junge Männer und Frauen für die Abschaffung der Wehrpflicht, für eine DDR ohne Armee und ein entmilitarisiertes Deutschland. Quelle: Bundesarchiv/183-1990-0503-045/Bernd Settnick
Detlef Pump verweigert den Wehrdienst aus politischen Gründen und wird für zwei Jahre inhaftiert. Eintrag von Detlef Pump in das „Kundenbuch“, April 1976. Sie nennen sich Tramper, Blueser oder Kunden und sind die ostdeutsche Variante der Blumenkinder. Sie versuchen, der spießbürgerlichen Enge des DDR-Alltags zuentkommen. Im „Kundenbuch“ von Hans Helmut Kurztragen sie Texte und Gedichte ein und bringen so ihr Selbstverständnis zum Ausdruck. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Am 8. März 1977 schreibt der 24-jährige Betriebsschlosser Detlef Pump einen Brief an das Wehrkreiskommando Jena: „Hiermit erkläre ich, [...] den Wehrdienst aus humanistischen Gründen mit und ohne Waffe zu verweigern.“ Seine Motive sind rein politisch, und das teilt er der Wehrbehörde mit. Das ist für die Staatsmacht eine ungeheuerliche Provokation. Seit 1964 gestattet der Staat zwar den waffenlosen Wehrdienst als Bausoldat, nicht aber die gänzliche Verweigerung des Wehrdienstes. Eine Haltung, wie sie Detlef Pump hat, wird in der DDR als kriminell verfolgt und kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Sogenannte Totalverweigerer wie Pump gibt es in der DDR seit der Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962. Bis 1989 verweigern ungefähr 6.000 Wehrpflichtige den Dienst völlig. Insgesamt werden 3.144 Personen verurteilt. Viele von ihnen sind Zeugen Jehovas oder Angehörige anderer Glaubensrichtungen.
Totalverweigerung in der DDR: Provokation und Verbrechen
In den 1970er Jahren verweigern immer mehr Männer aus dem Umfeld der Friedensbewegung den Dienst in der Armee. Hinzu kommen solche, die bereits einen Ausreiseantrag gestellt haben. Viele hoffen, so schneller in den Westen zu kommen. Der Staat schwankt ständig zwischen Strenge und Zurückhaltung: Auf der einen Seite fürchtet man bei zu viel Nachsicht einen Nachahmungseffekt, auf der anderen Seite muss man sich mit der fortwährenden Einmischung von Kirchenleuten auseinandersetzen, die um Haftentlassung von Totalverweigerern bitten.
Die Gefängnisstrafen für Kriegsdienstgegner schaden dem internationalem Ruf der DDR. Trägt der Staat doch die Friedenstaube als Symbol vor sich her – und wird nicht müde, gegen den Militarismus in der Bundesrepublik zu polemisieren.
Doch im Fall Detlef Pump entscheidet sich die SED für die harte Linie. Er wird am 4. Mai 1978 an seinem Arbeitsplatz bei Carl Zeiss Jena von der Staatssicherheit verhaftet. Das Militärgericht Erfurt verurteilt ihn zu zwei Jahren Haft. Der Jugendpfarrer Walter Schilling darf ihn in der Strafvollzugsanstalt Unterwellenborn besuchen. Er überbringt ihm Grüße seiner Freunde. Walter Schilling wird vom Ministerium für Staatssicherheit als Operativer Vorgang „Spinne“ geführt und überwacht. Der Pfarrer versucht seit Jahren – auch gegen Widerstände aus Kirchenkreisen – jenseits der staatlichen Strukturen eine freie Jugendarbeit zu organisieren. Dazu gehören auch Kreise von Totalverweigerern und Friedensgruppen.
Detlef Pump sieht in der DDR keine Zukunft mehr. In der Haftanstalt bekräftigt er seinen Ausreiseantrag, den er bereits im September 1977 gestellt hatte. Er wird jedoch 1979 im Zuge einer Amnestie in die DDR entlassen. Erst 1981 darf er das Land verlassen. Detlef Pump geht nach West-Berlin. Aufgrund des Alliiertenstatus werden Westberliner nicht zum Militär gezogen.
Zitierempfehlung: „Totalverweigerer“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Oktober 2018, www.jugendopposition.de/145449
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Mit 17 Jahren habe ich mich entschieden, auch nach den Gesprächen in der Jungen Gemeinde und im Freundeskreis, den Dienst mit der Waffe nicht zu leisten. Das war selbstverständlich. Ich hatte mich auf den Kompromiss eingelassen, den Bausoldatendienst zu leisten. Später, als ich eingezogen werden sollte, habe ich selbstverständlich total verweigert. Wir sagten: Wir werden nicht zur Armee gehen, und wir kommen nicht umhin, im Gefängnis zu landen. Es war klar: Es steht uns nichts Anderes, nichts Besseres, nichts Schlechteres mehr bevor, als irgendwann zwei Jahre lang im Gefängnis zu sitzen. Und als uns bewusst war, jeder in der Gruppe landet irgendwann im Gefängnis, da war auch die Angst weg.
Rainer Müller, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de