Der Reformkommunismus, der sich in der Tschechoslowakei 1968 etabliert, versteht sich als Modell für die anderen sozialistischen Länder. Die Sowjetunion, Bulgarien, Ungarn, Polen und die DDR wollen es jedoch nicht übernehmen. Die Staats- und Parteichefs dieser „Warschauer Fünf“ versuchen bei ihrem Treffen im März 1968 in Dresden, die CSSR-Führung einzuschüchtern. Als dies nicht gelingt, beginnen Hetzkampagnen. Die SED spricht von „Aufweichung und Unterwanderung“ als Teil der imperialistischen Globalstrategie. Ein Sündenbock muss her: Der SED-Propaganda zufolge organisieren feindliche Agenten die „schleichende Konterrevolution“.
Am 21. August 1968 besetzen Truppen der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens die CSSR. Die DDR-Spitze behauptet, auch Truppen der Nationalen Volksarmee (NVA) seien an der „brüderlichen Hilfsaktion“ beteiligt. Doch nach 1989 stellt sich heraus, dass Kampfeinheiten der DDR-Armee nie das Territorium der CSSR betreten haben. Die Militärführung des Warschauer Paktes entscheidet kurzfristig, dass sich die Einheiten der NVA mit reinen Versorgungsfunktionen auf rückwärtige Dienste an der Grenze beschränken sollen.
Die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit wird niedergewalzt
Die tschechoslowakische Bevölkerung stellt sich gewaltlos und einig gegen die Eindringlinge. Der Parteitag der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPC) tagt illegal in einem Prager Großbetrieb, wählt die von den Russen verhafteten Reformer in die neue Führung und verurteilt die Okkupation. Auch viele kommunistische Parteien des Westens lehnen den Gewaltakt ab. Die militärisch erfolgreiche Operation erweist sich für die Sowjetunion als politische Katastrophe mit Langzeitfolgen.
Die internierte Führung der KPC wird nach Moskau gebracht und gezwungen, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der sie den Einmarsch akzeptiert. Als Gegenleistung soll sie im Amt bleiben. Das erweist sich jedoch als Illusion. Die Anhänger des demokratischen Sozialismus werden aus der Partei ausgeschlossen und verlieren ihre Arbeit.
Am 16. Januar 1969 gibt es einen öffentlichen Suizid auf dem Prager Wenzelsplatz: Der Philosophiestudent Jan Palach verbrennt sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings selbst. Diese verzweifelte Tat reißt die Prager ein letztes Mal aus der hoffnungslosen Lethargie, die sich nach dem brutalen Einmarsch breitgemacht hat. Dann senkt sich für rund 20 Jahre der Grauschleier der sozialistischen Normalisierung über das Land.
Zitierempfehlung: „Einmarsch des Warschauer Paktes“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145441