Robert Havemann ist 1976 der engste politische Freund Wolf Biermanns. Als der Liedermacher Anfang der 1960er Jahre erste Schwierigkeiten mit der SED und den Behörden bekommt, ist Robert Havemann noch ein hoch angesehener Repräsentant der DDR: Professor und Lehrstuhlleiter an der Humboldt-Universität, Mitglied der dortigen SED-Parteileitung, Abgeordneter der Volkskammer. Zu dieser Zeit wird er allerdings schon heftig kritisiert.
In seinen freimütigen philosophischen Vorlesungen nimmt Robert Havemann kein Blatt vor den Mund. Er nennt die Mauer beim Namen und versteckt die Unfreiheit in der DDR nicht hinter blumigen Phrasen über historische Notwendigkeiten, denen sich die Menschen zu unterwerfen hätten. Es sind dieselben kritischen Gedanken, die Robert Havemann und Wolf Biermann formulieren, und es sind dieselben Bürokraten, die sie maßregeln und ihnen das öffentliche Wirken verbieten.
Erst als Antifaschist von den Nazis zum Tode verurteilt ...
Zwischen dem aufmüpfigen jungen Liedermacher und dem gradlinigen Gelehrten entwickelt sich eine enge Freundschaft. Die beiden teilen ein ähnliches Schicksal: Wolf Biermann darf nicht Parteimitglied werden, Robert Havemann wird 1964 aus der SED ausgeschlossen. Er verliert seine Professur und im Jahr darauf auch seine Arbeitsstelle als Forscher. Wolf Biermann erhält Auftritts- und Publikationsverbot.
Für Robert Havemann ist es beileibe nicht die erste politische Auseinandersetzung seines Lebens. 1932, er studiert noch, schließt er sich den Kommunisten an. Deren energisches Auftreten gegen die zur Macht strebenden Nationalsozialisten überzeugt ihn. Seit 1933 leistet er Widerstand gegen die Hitler-Diktatur. Er beteiligt sich an der Information der Weltöffentlichkeit über die in Deutschland verübten Verbrechen und hilft Verfolgten, dem Terror zu entkommen. 1943 wird er mit seinen Freunden von den Nazis verhaftet und zum Tode verurteilt. Dank der geschickten und mutigen Unterstützung von Kollegen und Freunden kann er der Exekution entgehen, muss aber erleben, wie seine engsten Freunde ermordet werden.
... und dann der gefährlichste marxistische Dissident der DDR
Durch die beiläufige Mitteilung eines Zuchthausbeamten erfährt Robert Havemann am 9. Mai 1944, dass sein Kampfgefährte Georg Groscurth am Vortag exekutiert worden ist – nur wenige Minuten vor den anderen Mitgliedern der Leitung ihrer gemeinsamen Widerstandsgruppe. Robert Havemann ist seit 1932 eng mit Georg Groscurth befreundet. Beide sind über die Jahre hinweg engste wissenschaftliche Partner. 1945 befreit die Rote Armee Robert Havemann aus dem Zuchthaus Brandenburg, in dem er unter anderem gemeinsam mit Erich Honecker gefangen gehalten wird.
Robert Havemann engagiert sich für den Aufbau einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft, schließt sich aber mit der Zuspitzung des Kalten Kriegs der SED an und unterstützt deren stalinistische Politik – unter anderem als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Das Eingeständnis des verbrecherischen Charakters des Stalinregimes auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion setzt bei Robert Havemann ein Umdenken in Gang. Seine kritische Distanz zur Politik der SED wächst. Er lässt sich auch durch Privilegien nicht mehr korrumpieren. Immer offener und deutlicher formuliert er seine Kritik am Politbüro und entwickelt politische Alternativen der Demokratisierung des Sozialismus.
Robert Havemann wird nach und nach von jeder Möglichkeit öffentlichen politischen Wirkens in der DDR abgeschnitten. Doch seine Äußerungen werden in der Republik immer wieder heimlich abgeschrieben. Über die Medien der Bundesrepublik erreichen sie früher oder später interessierte Leser, Zuhörer und Zuschauer. In der Reformpolitik des Prager Frühlings 1968 sieht er ein Musterbeispiel dafür, dass eine sozialistisch-demokratische Gesellschaft möglich ist. Ihre Zerschlagung durch die Sowjettruppen charakterisiert er deutlich als Konterrevolution.
Seine Forderung nach einer demokratischen Wende in der DDR erweitert Robert Havemann durch friedens- und umweltpolitische Überlegungen. Schon frühzeitig suchen Oppositionelle aus Jena Kontakt zu ihm, der Mitte der 1970er Jahre auch als Gast an dortigen Veranstaltungen teilnimmt. Nach seiner Exmatrikulation findet Jürgen Fuchs ein neues Domizil bei Robert Havemann in Grünheide.
Die Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann verurteilt Robert Havemann scharf. Er begrüßt das Protestschreiben der Schriftsteller und Künstler und schreibt an seinen ehemaligen Brandenburger Zuchthauskameraden Erich Honecker einen Offenen Brief. Der Staats- und Parteichef ordnet daraufhin Hausarrest für den bekanntesten Dissidenten der DDR an. Mehr als zwei Jahre können sich weder Robert Havemann noch seine Familie frei bewegen. Dennoch knüpft er immer neue Kontakte zu jungen Oppositionellen.
Mit dem Berliner Appell zur Abrüstung, den er gemeinsam mit Rainer Eppelmann initiiert, stellt Robert Havemann der Friedensbewegung in der DDR seine Kraft und seine Erfahrung zur Verfügung. Robert Havemann stirbt Pfingsten 1982, wenige Wochen nach der Veröffentlichung des von vielen Menschen in der DDR und in der Bundesrepublik unterstützten Appells. Und wenige Jahre vor dem Fall der Mauer.
Zitierempfehlung: „Robert Havemann“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145377