Abschrift
In der ersten Gründungsversammlung der FDJ war auch Arno Esch mit seinen Freunden. Ich schlug Arno Esch sogar für die Wahl zum Vorsitzenden vor, und alles lachte über mich. Ich kannte den noch nicht, ich hatte den nur in der Gründungsversammlung als überzeugenden Demokraten erlebt. Seine Argumentation, die ging auf Toleranz, auf liberal. Kein Krieg, kein Todesurteil, Demokratie – und zwar Mehrparteien-Demokratie. Diese Leute musste man ja in der FDJ stärken. Er wurde aber nicht gewählt, kandidierte nicht, zog sich zurück. Nachher ist mir klar geworden, warum. Der war ja in der LDP.
Ich schlug dann Hartwig Bernitt vor. Und dann war da ein Vertreter des Kreisvorstands, Eberhard Fensch, der schlug Erich Jawinsky vor. Der Jawinsky war ein Landarbeiterkind, nur Grundschule, aber das war nicht der Grund, weshalb ich den [nicht wollte]. Ich war immer der Meinung: Universität muss nach Leistung gehen. Und wenn einer die Leistung noch nicht hat, dann sollen sie die Arbeiter- und Bauernkinder, die förderungswürdig sind, auf den Wissens- und Kenntnisstand eines Abiturienten bringen. Damit er sich zum Studium an der Universität bewerben kann. Das war auch die Auffassung der nicht-bürgerlichen Studenten. Und die war zu vertreten. Die haben wir auch in der FDJ vertreten.
Es gab 18 zu 18 Stimmen, Bernitt und Jawinsky. Der Vertreter des Kreisvorstandes der FDJ entschied natürlich für seinen SED-Genossen. Er selber war in der SED, also wurde Jawinsky Vorsitzender. Da haben wir uns gesagt: ´Der Jawinsky ist eine Zumutung für uns. Der kann ja keine zehn Sätze hintereinander in logischem Zusammenhang formulieren. Das wird uns zugemutet!`. Wir hatten einen gewissen Bildungsdünkel. Und da die Plätze an der Universität begrenzt waren – das wurde von LDP und CDU vertreten –, [waren diese] in erster Linie für die, die die Leistung erbrachten. Wenn das aus dem Klassenstandpunkt nicht zur prozentual gleichen Berücksichtigung der Arbeiter- und Bauernkinder führte, dann mussten die Arbeiter- und Bauernkinder eben erst mal zum Abiturwissensstand gebracht werden. Damit sie sich auch bewerben konnten. Die Fähigen sollten gefördert werden.
Wir waren uns in der FDJ einig, vor allen Dingen mit Hartwig Bernitt: Wir müssen versuchen, möglichst viele Funktionen in der FDJ zu besetzen. Damals waren wir 36 Mitglieder. Man musste vorsichtig sein. Aber das war jetzt die große Werbekampagne: Eintreten in die FDJ. Wir haben nicht durchschaut, dass die Kommunisten das auch schon wieder als Mittel zum Zweck benutzten. Insofern waren wir noch blauäugige Demokraten und warben unter unseren nicht-sozialistischen, nicht-kommunistischen Kommilitonen: ´Mensch, tretet in die FDJ ein, damit wir bei den Wahlen gewählt werden und in Funktion kommen`.
Damals war noch geheime Wahl möglich, und vor allen Dingen: Funktionen wurden noch in geheimer Wahl [besetzt]. Aus diesen Vorständen wurden dann Leute in die Zulassungskommission zum Studium und in die Studentenkommission entsandt. Und da mussten wir die Mehrheiten haben! Also haben wir der Gutsbesitzertochter, die aus Pommern oder aus Ostpreußen kam, klar gemacht: ´Ihr müsst sagen: Familienbetrieb. Das war doch ein Familienbetrieb, den ihr hattet. Da haben doch die Nachbarn bei der Ernte geholfen`. Wie sollte das denn ein 16-jähriges Mädchen wissen, wie viel Hektar sie hatten. So haben wir das also vielen Vertriebenen und anderen klar gemacht. Wenn wir getanzt haben, dann haben wir jeden Tanz mit den Mädchen genutzt, um ihnen klar zu machen: ,Ihr müsst bei der Stipendienkommission eintreten und das und das sagen, damit wir euch Stipendien zuteilen können`. Das war in Rostock sehr erfolgreich. Wir sind sehr stolz, wie viel wir da vermocht haben.
Roland Bude, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de