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Kontext

Nach langwierigen Verhandlungen: Der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr (links) und DDR-Staatssekretär Michael Kohl (rechts) unterzeichnen am 21. Dezember 1972 den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik...
Nach langwierigen Verhandlungen: Der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr (links) und DDR-Staatssekretär Michael Kohl (rechts) unterzeichnen am 21. Dezember 1972 den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Darin verpflichten sich beide deutschen Staaten zu gutnachbarlichen Beziehungen und Gewaltverzicht. Entgegen dem Wunsch der DDR-Führung erkennt die Bundesrepublik die DDR völkerrechtlich aber nicht an. Quelle: REGIERUNGonline/Lothar Schaack
Am 21. Dezember 1972 tauschen der Bundesminister für Besondere Aufgaben Egon Bahr (rechts) und der DDR-Staatssekretär Michael Kohl im Bonner Palais Schaumburg die Noten des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik und der DDR aus. Quelle: REGIERUNGonline/Detlef...
Am 21. Dezember 1972 tauschen der Bundesminister für Besondere Aufgaben Egon Bahr (rechts) und der DDR-Staatssekretär Michael Kohl im Bonner Palais Schaumburg die Noten des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik und der DDR aus. Quelle: REGIERUNGonline/Detlef Gräfingholt
DDR-Umschlag vom Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. REGIERUNGonline/Ulrich Wienke
DDR-Umschlag vom Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. REGIERUNGonline/Ulrich Wienke
Am 18. September 1973 werden die Bundesrepublik und die DDR zugleich als Vollmitglieder in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen. Vor dem UNO-Hauptquartier in New York hisst man die Flaggen der beiden neuen Mitgliedsstaaten. Quelle: REGIERUNGonline/Ludwig...
Am 18. September 1973 werden die Bundesrepublik und die DDR zugleich als Vollmitglieder in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen. Vor dem UNO-Hauptquartier in New York hisst man die Flaggen der beiden neuen Mitgliedsstaaten. Quelle: REGIERUNGonline/Ludwig Wegmann
Mit der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) versuchen die Staaten West- und Osteuropas unter Einbeziehung der USA und Kanadas, die Entspannung in Europa durch multilaterale Zusammenarbeit zu sichern. Die Vertreter des Westens...
Mit der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) versuchen die Staaten West- und Osteuropas unter Einbeziehung der USA und Kanadas, die Entspannung in Europa durch multilaterale Zusammenarbeit zu sichern. Die Vertreter des Westens wollen zudem die Wahrung der Menschenrechte durch setzen. Doch in der DDR werden auch weiterhin Menschenrechte missachtet. Der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker (2. v. l.) und Bundeskanzler Helmut Schmidt (rechts von ihm) im Gespräch vor Beginn der Konferenz. Quelle: REGIERUNGonline/Engelbert Reinecke
Nach über zweijährigen Verhandlungen in Genf unterzeichnen die Staats- und Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten am 1. August 1975 in Helsinki die KSZE-Schlussakte (v. l. n. r.: Helmut Schmidt, Erich Honecker). REGIERUNGonline/Engelbert Reinecke
Nach über zweijährigen Verhandlungen in Genf unterzeichnen die Staats- und Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten am 1. August 1975 in Helsinki die KSZE-Schlussakte (v. l. n. r.: Helmut Schmidt, Erich Honecker). REGIERUNGonline/Engelbert Reinecke
Im Sommer 1973 finden in Ost-Berlin die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft. Bundesarchiv/183-M0728-719/Horst Sturm
Im Sommer 1973 finden in Ost-Berlin die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft. Bundesarchiv/183-M0728-719/Horst Sturm
Erst nach zwei Jahren Hausarrestes, im Mai 1979, darf sich der DDR-Regimekritiker Robert Havemann wieder ohne besondere Genehmigung außerhalb seines Hauses bewegen. Doch gleich darauf, im Juni 1979, wird er in einem Zoll- und Devisenverfahren, dessen...
Erst nach zwei Jahren Hausarrestes, im Mai 1979, darf sich der DDR-Regimekritiker Robert Havemann wieder ohne besondere Genehmigung außerhalb seines Hauses bewegen. Doch gleich darauf, im Juni 1979, wird er in einem Zoll- und Devisenverfahren, dessen Drehbuch die Staatssicherheit geschrieben hat, wegen seiner Publikationen im Westen zu einer Geldstrafe von 10.000 Mark verurteilt. Robert Havemann in seinem Haus in Grünheide, wenige Tage nach der Aufhebung des Hausarrestes. Quelle: Archiv StAufarb, Harald Schmitt.
Oskar Brüsewitz (1929 - 1976), Pfarrer von Rippicha, protestiert 1975 mit einem Plakat gegen den atheistischen Staat. Aus Protest gegen das repressive System und die mangelnde Unterstützung durch die Kirche setzt er sich am 18. August 1976 auf dem Marktplatz...
Oskar Brüsewitz (1929 - 1976), Pfarrer von Rippicha, protestiert 1975 mit einem Plakat gegen den atheistischen Staat. Aus Protest gegen das repressive System und die mangelnde Unterstützung durch die Kirche setzt er sich am 18. August 1976 auf dem Marktplatz der Stadt Zeitz selbst in Brand. Wenige Tage später erliegt er seinen Verletzungen. Quelle: Bundesarchiv / Stasi-Unterlagen-Archiv
Ein DDR-Bürger klagt an: Im August 1977 erscheint Rudolf Bahros Buch „Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“ in der Bundesrepublik. Seine Ansichten kommentiert Rudolf Bahro auch im Westfernsehen. Daraufhin wird er wegen des...
Ein DDR-Bürger klagt an: Im August 1977 erscheint Rudolf Bahros Buch „Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“ in der Bundesrepublik. Seine Ansichten kommentiert Rudolf Bahro auch im Westfernsehen. Daraufhin wird er wegen des Verdachts der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ verhaftet. Der erste Strafsenat des Berliner Stadtgerichts verurteilte ihn am 30. Juni 1978 wegen Sammlung von Nachrichten und Geheimnisverrat zu acht Jahren Gefängnis. Rudolf Bahro (l.) mit seinem Verteidiger Gregor Gysi. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Klaus Mehner, Bild 78_0630_JKK_Bahro_02
Mit Schreibmaschine und Durchschlagpapier vervielfältigter Vortrag des Philosophen und DDR-Kritikers Rudolf Bahro. Verbotenes Schriftgut muss in der DDR mühsam vervielfältigt werden. Die wenigen Exemplare gehen von Hand zu Hand. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Olaf...
Mit Schreibmaschine und Durchschlagpapier vervielfältigter Vortrag des Philosophen und DDR-Kritikers Rudolf Bahro. Verbotenes Schriftgut muss in der DDR mühsam vervielfältigt werden. Die wenigen Exemplare gehen von Hand zu Hand. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Olaf Weißbach
Auch in der DDR gibt es eine Aussteigerszene: Sie nennen sich Blueser, Tramper oder Kunden. Zu ihrem Outfit gehören lange Haare, üppige Bärte, Bluejeans, Parka und Jesuslatschen. Für die Staatssicherheit sind diese „Gammler“ einfach nur vorsätzliche...
Auch in der DDR gibt es eine Aussteigerszene: Sie nennen sich Blueser, Tramper oder Kunden. Zu ihrem Outfit gehören lange Haare, üppige Bärte, Bluejeans, Parka und Jesuslatschen. Für die Staatssicherheit sind diese „Gammler“ einfach nur vorsätzliche Feinde der DDR. Und so kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen den jungen Leuten und der Volkspolizei beziehungsweise Staatssicherheit. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Peter Wensierski/RHG_Fo_HAB_18179
Aus der ganzen DDR trampen 1975 etwa 2.000 langhaarige Kuttenträger zum dritten Blues- und Rock-Open-Air in die kleine thüringische Gemeinde Wandersleben. Der Staatsmacht ist dieses Festival schon lange ein Dorn im Auge. Mit der fadenscheinigen Begründung,...
Aus der ganzen DDR trampen 1975 etwa 2.000 langhaarige Kuttenträger zum dritten Blues- und Rock-Open-Air in die kleine thüringische Gemeinde Wandersleben. Der Staatsmacht ist dieses Festival schon lange ein Dorn im Auge. Mit der fadenscheinigen Begründung, die anreisenden Tramper würden den Transitverkehr auf der nahe gelegenen Autobahn A 4 gefährden, wird das Bluesfestival verboten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
„Blutige Erdbeeren“: in West und Ost ein Kultfilm mit legendärem Soundtrack. Quelle: Bundesarchiv/Filmarchiv
„Blutige Erdbeeren“: in West und Ost ein Kultfilm mit legendärem Soundtrack. Quelle: Bundesarchiv/Filmarchiv
Seit Mitte der 1970er Jahre führen Terroranschläge der Roten Armee Fraktion in der Bundesrepublik zu großen Polizeiaktionen, Prozessen und einer ständigen Verschärfung des politischen Strafrechts. Diese Entwicklung gipfelt im Deutschen Herbst. Im...
Seit Mitte der 1970er Jahre führen Terroranschläge der Roten Armee Fraktion in der Bundesrepublik zu großen Polizeiaktionen, Prozessen und einer ständigen Verschärfung des politischen Strafrechts. Diese Entwicklung gipfelt im Deutschen Herbst. Im Bild: Fahndungsplakat nach Terroristen: Susanne Albrecht, Elisabeth von Dyck, Friedrike Krabbe, Silke Maier-Witt Brigitte Mohnhaupt, Juliane Plambeck, Adelheid Schulz, Angelika Speitel Sigrid Sternebeck, Inge Viett, Christian Klar, Jörg Lang Willy Peter Stoll, Christoph Michael Wackernagel, Rolf Heiss(ß)ler, Rolf Clemens Wagner.
Quelle: Bundesarchiv/Plak 006-001-057
Das Cover der ersten Renft-LP von 1973. Die Klaus Renft Combo genießt unter den Rockfans der DDR Kultstatus. Besonders in Gerulf Pannachs Texten, die sich kritisch mit den Lebensverhältnissen auseinandersetzen, können sich viele Jugendliche wiederfinden....
Das Cover der ersten Renft-LP von 1973. Die Klaus Renft Combo genießt unter den Rockfans der DDR Kultstatus. Besonders in Gerulf Pannachs Texten, die sich kritisch mit den Lebensverhältnissen auseinandersetzen, können sich viele Jugendliche wiederfinden. Als Gerulf Pannach Berufsverbot erhält, solidarisiert sich die Band mit ihm. Am 22. September 1975 wird die ganze Band verboten.
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Internationales Geschehen

In Helsinki wird 1973 die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) eröffnet. Beteiligt sind 7 Staaten des Warschauer Paktes, 13 neutrale Länder und die 15 NATO-Staaten. Mit der am 1. August 1975 in Helsinki unterschriebenen KSZE-Schlussakte verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Für die Opposition in den sozialistischen Ländern ist insbesondere die Verpflichtung ihrer Regierungen zur Wahrung der Menschenrechte ein zentraler Bezugspunkt ihres Kampfes.

Eine der wichtigsten oppositionellen Gruppierungen im Ostblock ist in dieser Zeit die Charta 77. Die Gruppe schließt sich Ende 1976 in der CSSR zusammen; einer der Sprecher ist Vaclav Havel. Unmittelbarer Anlass für die Gründung der Charta 77 sind Protestaktionen gegen die Strafverfolgung der Rockband The Plastic People of the Universe und ihrer Fans. Die Band, die sich 1968 kurz nach der Niederschlagung des Prager Frühlings zusammengefunden hat, organisiert unter anderem alternative Musikfestivals.

Auch in der westlichen Welt gibt es Veränderungen und Erschütterungen. In Portugal wird 1974 das seit den 1920er Jahren herrschende diktatorische Regime durch die „Nelkenrevolution“ gestürzt. Eine der Konsequenzen ist, dass Angola 1975 die volle Unabhängigkeit von Portugal erhält. Dort entwickelt sich umgehend ein Bürgerkrieg, in dem eine Partei vor allem durch Soldaten aus Kuba unterstützt wird und die Gegenseite durch das rassistische südafrikanische Regime. Als Folge des Bürgerkrieges kommen viele Angolaner als Studenten und Vertragsarbeiter in die DDR.

Mit dem Tode von General Francisco Franco (1939–1975) endet in Spanien die Diktatur.

Lateinamerika bleibt ein Unruheherd. In Chile, das seit 1970 von einem linken Wahlbündnis unter dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende regiert wird, putschen sich 1973 mit US-amerikanischer Unterstützung die Militärs an die Macht und entfalten ein blutiges Regime. Viele Chilenen finden in der DDR, aber auch in der Bundesrepublik ein Exil. In Argentinien übernehmen die Militärs 1976 erneut die Macht. Zwischen 20.000 und 30.000 Menschen verschwinden in den folgenden 15 Jahren spurlos; mehr als 2.300 werden nachweislich von den Militärs ermordet. Seit 1977 herrscht in Nicaragua ein Bürgerkrieg, der 1979 mit dem Sieg der Sandinisten über das diktatorische Regime der Somoza-Familie endet. Mit CIA-Unterstützung führen die sogenannten Contras von Honduras aus seit 1981 einen Krieg gegen das sandinistische Regime.

Deutsche Demokratische Republik

Die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der Bundesrepublik ist 1972 ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der Verhältnisse zwischen beiden deutschen Staaten. Ein Jahr später werden die DDR und die Bundesrepublik in die UNO aufgenommen. In der DDR feiert die Führung diese beiden Ereignisse als großen Triumph. Doch diese Erfolge – und die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975, mit der die DDR offiziell die Achtung der Menschenrechte und die Wahrung der Grundfreiheiten erklärt – führen alsbald zu großen Schwierigkeiten. Stärker als je zuvor steht die SED-Politik fortan unter Beobachtung bundesdeutscher Journalisten, und die Opposition kann sich nun auf internationale menschenrechtliche Verpflichtungen der DDR beziehen – darunter das Recht auf Freizügigkeit.

Die Realität zwischen Elbe und Oder sieht anders aus: Die DDR-Führung gesteht ihren Bürgern weder Meinungs- noch Reisefreiheit zu. Dissidenten wie Rudolf Bahro und Robert Havemann, die eine gesellschaftliche Debatte über den demokratischen Umbau des Sozialismus vorantreiben wollen, werden eingesperrt oder unter Hausarrest gestellt. Statt mit offenem Justizterror, wie in den 1950er und 1960er Jahren, geht das Ministerium für Staatssicherheit nun mit subtileren Methoden vor: zum Beispiel mit der verdeckten Verfolgung und Zersetzung der politisch missliebigen Personen. 1971 löst Erich Honecker Walter Ulbricht ab. Die nach dem Machtwechsel an der SED-Spitze aufkeimende Hoffnung einer politischen und kulturellen Öffnung der DDR wird schnell enttäuscht.

Ein Fanal gegen die festgefahrenen politischen Verhältnisse setzt der Pfarrer Oskar Brüsewitz, der sich aus Protest gegen das repressive (= unterdrückende) System und die mangelnde Unterstützung durch die Kirche im August 1976 öffentlich selbst verbrennt.

In der Jugendkultur der DDR ist Musik als Fluchtpunkt von großer Bedeutung. Da offene Rebellion gegen das System schnell zu Sanktionen führt, entwickelt sich die Kunst des „Zwischen-den-Zeilen-Hörens“. Eine Band wie Renft wird vom SED-Staat für so gefährlich gehalten, dass man sie 1975 verbietet. Tonbänder von Renft-Stücken und abgeschriebene Liedtexte kursieren danach illegal in Schulen und Jugendclubs. Wie ihre Altersgenossen im Westen verbinden die Ost-Jugendlichen ihren Protest mit lauter Musik.

West-Bands wie Led Zeppelin und auch einige Ost-Bands liefern den Soundtrack zum Aufbegehren gegen die festgefahrenen Zustände. Den US-amerikanischen Film „Blutige Erdbeeren“, bei dem es um Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg an einer amerikanischen Universität geht, sehen sich viele Jugendliche in der DDR ein Dutzend Mal an. Nicht zuletzt wegen der Filmmusik, die unter anderem von Crosby, Stills, Nash & Young und John Lennon stammt. Die DDR-Regierung versucht auch diesen Einfluss zu unterbinden: Im Radio und in Diskotheken muss eine hohe Quote an Ost-Musik gespielt werden.

Mit Argusaugen beobachten die Behörden auch die Tramperszene – Jugendliche, die zu Konzerten vor allem von Bluesbands quer durch das ganze Land reisen, meistens per Anhalter. Die Tramper werden von der Polizei häufig kontrolliert und schikaniert. Aber letztlich erweist sich jede Staatsstrategie gegen Rock und Blues als machtlos.

Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik wird seit 1972 jeder Bewerber für Positionen im öffentlichen Dienst von den Ämtern für Verfassungsschutz einer „Regelüberprüfung“ unterzogen. Das ist der Beginn der Berufsverbotspraxis aus politischen Gründen, erklären die Kritiker. Überall bilden sich Komitees gegen Berufsverbote. Innenpolitisch wird die Studentenbewegung von den neuen sozialen Bewegungen abgelöst, zu denen lokale Bürgerinitiativen, Friedens-, Umwelt- und Anti-Atomkraft-Gruppen gehören. Am 18. Februar 1975 wird der Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks in der badischen Gemeinde Wyhl von Atomkraftgegnern zum ersten Mal besetzt. Solche Aktionen und die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen verhindern schließlich den Bau.

Parallel zu den neuen sozialen Bewegungen entwickelt sich der Linksterrorismus mit einer wachsenden Zahl blutiger Morde, mit großen Polizeiaktionen, Prozessen und einer ständigen Verschärfung des politischen Strafrechts. Diese Entwicklung gipfelt im Deutschen Herbst. Am 5. September 1977 wird Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von Terroristen der Rote-Armee-Fraktion (RAF) entführt. Sein Fahrer und drei Polizisten sterben im Kugelhagel.

Mitte Oktober 1977 entführt ein arabisches Terrorkommando eine voll besetzte Lufthansa-Maschine, um die Freilassung inhaftierter RAF-Terroristen durchzusetzen. Nachdem es der Anti-Terror-Einheit des Bundesgrenzschutzes, GSG 9, in der somalischen Hauptstadt Mogadischu gelungen ist, die Geiseln zu befreien, erschießen RAF-Terroristen Hanns Martin Schleyer. Im Stammheimer Gefängnis begehen daraufhin die inhaftierten Anführer der RAF Selbstmord. Bereits in den Monaten zuvor werden Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Bankier Jürgen Ponto Opfer von Mordanschlägen der RAF. Das innenpolitische Klima in der Bundesrepublik ist im Herbst 1977 in höchstem Maße vergiftet.

Aus Solidarität mit dem 1978 verurteilten DDR-Dissidenten Rudolf Bahro bildet sich in West-Berlin ein Komitee für die Freilassung Rudolf Bahros, das im November einen großen Bahro-Kongress veranstaltet.

Zitierempfehlung: „Kontext zum Portal Holt Biermann zurück!“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung März 2017, www.jugendopposition.de/145335


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