Mit der Feuerwehr gegen Demonstranten - Der 7. Oktober 1989 in Plauen
In Plauen, einer sächsischen Industriestadt mit knapp 80.000 Einwohnern, kursiert vor dem 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, ein Protestaufruf der Initiative zur demokratischen Erneuerung der Gesellschaft. Sie wurde von einigen Plauener Bürgern kurz zuvor gegründet (Bildergalerie).
Der Aufruf beinhaltet die Forderungen, die auf allen Demonstrationen dieser Zeit laut werden: Meinungs- und Versammlungsfreiheit, freie Wahlen, Legalisierung der Opposition und Reisefreiheit. Die Plauener werden in dem Aufruf eingeladen, sich am Republikgeburtstag zu einer Protestdemonstration vor der Lutherkirche einzufinden. Die Ereignisse des 7. Oktober 1989 lesen sich im Bericht der Stasi-Kreisdienststelle Plauen so:
„In der Zeit von ca. 13.00 bis 14.30 bewegten sich kleinere Gruppen in Stärke von 5-10 Personen aus allen Richtungen in das Stadtzentrum von Plauen vor die Lutherkirche. Bis 15:00 Uhr versammelten sich circa 3.000 Personen. Sie führten Plakate mit den Aufschriften ´Neues Forum`, ´Pressefreiheit`, ´Meinungsfreiheit`, ´Reisefreiheit` [...] mit. Durch die Menschenmenge erfolgten Pfiffe und rhythmisches Händeklatschen. [...] Gegen 15.20 Uhr erreichte der Demonstrationszug die SED-Kreisleitung. Dort kam es zu Rufen ´Wir sind das Volk` [...]. Der Demonstrationszug hatte zwischenzeitlich eine Stärke von 5.000 Demonstranten erreicht [...]. Der Demonstrationszug wurde mit der Losung ´Wir brauchen Reformen, wir sind das Volk` angeführt. An der SED-Kreisleitung in der Friedensstraße wurden eine Vielzahl brennende Kerzen abgestellt. [...] Gegen 15.48 Uhr erreichte die Spitze des Demonstrationszuges den Rathausvorplatz [...] Der Platz füllte sich weiter an, so dass insgesamt eine Beteiligung an dieser Demonstration von circa 10.000 Menschen zu verzeichnen ist.“
„Keine Gewalt!“, „Wir sind das Volk!“, „Keine Gewalt!“:
In Plauen kapituliert die Polizei vor der Menschenmenge
Was der Stasi-Bericht verschweigt: In der Anfangsphase der Demo stellen sich den Demonstranten zwei Hundertschaften bewaffneter Bereitschaftspolizisten in den Weg. Diese haben die Visiere der Helme heruntergeklappt und klopfen mit Schlagstöcken auf ihre Schilder. Keiner der DDR-Bürger hat so etwas je zuvor erlebt; solche Bilder kennt man bisher nur aus der Bundesrepublik.
Dann fahren Spritzenwagen der städtischen Feuerwehr auf und versuchen, die Demonstration mit improvisierten Wasserwerfern auseinanderzutreiben. Doch vergeblich. Immer größer wird die Menschenmenge, immer lauter ihr Ruf „Keine Gewalt!“. Schließlich kapituliert die Polizei, die schon bald deutlich in der Minderheit ist, vor der riesigen Menschenmenge.
In einer Erklärung, die die Leitung der Freiwilligen Feuerwehr Plauen am nächsten Tag abgibt, distanzieren sich die Feuerwehrleute vom „zweckentfremdeten Einsetzen der Löschfahrzeuge“ (Bildergalerie). Wie in Plauen verliert der Staat nun in allen Teilen des Landes auf breiter Front seinen Rückhalt.
Zitierempfehlung: „Mit der Feuerwehr gegen Demonstranten - Der 7. Oktober 1989 in Plauen“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145458