Abschrift
Die Rosa Luxemburg-Liebknecht-Demonstration, die wir ja organisiert haben, war bis ins Detail organisiert. Wer hat welchen Stadtteil? Ich hatte mit Frank Sellenthin und Rainer Müller Grünau. Und in jeden Briefkasten sollte da dieser Aufruf zur Versammlung gehen. Wir waren, glaube ich, das letzte Team, was in der Nacht nach Hause kam, weil wir natürlich am weitesten draußen waren. Und wir wussten nicht, dass eines der Teams schon in der Nacht leider erwischt worden war, leider auch mit den Flugblättern – also mit dem ganzen Beweis – und dass die Staatssicherheit eigentlich nur noch wartete, dass die anderen nach Hause kehrten, um die dann alle einzusammeln. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ich schon nicht mehr in der Mariannenstraße, sondern eine Ecke weiter, in der Meißner Straße. Das heißt, ich trennte mich vorher von den beiden und eine alte Dame, die in dem Abrisshaus von mir gegenüber wohnte und mir immer auch so ein bisschen seltsam verrückt erschien, die warnte mich aus dem Fenster. Die rief runter und sagte: „Ey, Katti die Eiermaler sind da.“ Und irgendwie wusste ich genau, was sie meinte. Sie meinte die Staatssicherheit und die stehen schon vor der Tür. Sofort habe ich kehrt gemacht und bin gar nicht mehr nach Hause gegangen. Ich war also bei dieser Aktion die Einzige, die die Flugblätter mit verteilt hat, aber nicht in den Knast gegangen ist. Ich konnte nicht eingesammelt werden und bin tatsächlich dann in diesen frühen Morgenstunden ins Konvikt gegangen. Ich hatte weiterhin einen sehr engen Kontakt behalten zu meinen Mitstudenten dort und die haben gesagt: „Pass auf, wir helfen dir! Wir finden irgendeine Lösung.“ Und die haben einen der Professoren geweckt und haben gesagt: „Mensch, mit einem Auto kann man sie rausfahren, irgendwo hin.“ Und der hat dann gesagt: „Ja klar, ich habe da Freunde und da fahre ich sie hin.“ Sodass mir das tatsächlich erspart blieb. Ich bin eine Woche bei einem sehr netten Pfarrer-Ehepaar außerhalb von Leipzig untergekommen, die mich da aufgenommen haben, damit ich nicht verhaftet werden konnte, und zum Glück löste sich die Sache ja dann auch auf. Ich hätte mich da jetzt nicht ewig verstecken können. Aber das war so eine Idee, erst mal zu gucken, was passiert. Und tatsächlich klappte das ja. Die anderen kamen ja nach einer Woche frei. Es gab da natürlich auch viel Druck von außen, von der Bundesrepublik. Wie immer, ging es der DDR wahrscheinlich um Geld. Das muss man ja sagen. Es wurde ein neuer Devisenvertrag verhandelt und dann kamen die Leute wieder frei, sodass mir diese Haftwoche erspart geblieben ist. Und tatsächlich hat es ja geklappt. Eine kleine Art Versammlung hat es gegeben, eine kleine Demonstration, auf der dann Fred Kowasch, der uns gut kannte, auch gesprochen hat. Der hatte zwar nicht die Flugblätter mit verteilt, aber der wusste, das wird stattfinden und der hat das dann einfach spontan weitergetragen, sodass die Aktion trotzdem eigentlich funktioniert und stattgefunden hat; auch wenn ganz ohne uns.