Abschrift
Die Luxemburg-Liebknecht-Demonstration 1988 in Berlin, mit den Verhaftungen von Freya Klier und Stephan Krawczyk und Templins und Wollenberger, hat bei uns in Leipzig sehr viel Solidarität ausgelöst, wie ja in vielen anderen Städten der DDR auch. Es gab eine DDR weite Solidaritätsbewegung. Es gab ein zentrales Koordinierungsbüro in Berlin. Wir hatten in Leipzig die Studentengemeinde. Der Pfarrer Bartelt, der sich damals sofort bereitgestellt hat, dass wir dort tägliche Andachten durchführen konnten und ein Koordinierungsbüro einrichten konnten. Das war etwas, das mich zu dem Zeitpunkt, da war ich in der Arbeitsgruppe Menschenrechte engagiert, auch noch mal stärker in Kontakt mit anderen Menschen aus anderen Basisgruppen in Leipzig gebracht hat. Und auch ein starker Politisierungsmoment für mich. Ich kann den Kanon heute noch singen, den wir damals miteinander gesungen haben, weil der hat sich irgendwie so eingeprägt. Das war der Gesang, der um diese Zeit jeden Abend 17:00 durch ganz viele kirchliche Orte in der Republik ging. Und dann kam es dazu, dass die ausgewiesen wurden, aber eben teilweise mit einer Rückkehr-Option.Das war etwas, was uns auch Auftrieb gegeben hat, weil wir gemerkt haben: die landen jetzt nicht zehn Jahre in Hohenschönhausen. Das ist eben doch noch mal ein Unterschied, ob ich in die BRD ausgewiesen werde und nach einem Studienaufenthalt von zwei Jahren zurückkommen kann in DDR (was nicht bei allen der Fall war). Es war auch ein bitteres Urteil, aber es war trotzdem nicht „worst case“, was da am Ende rausgekommen ist. Das hat uns auch noch mal beflügelt zu sehen, wir können wirklich was erreichen. Es ist möglich, etwas zu bewirken. Und ich finde das auch immer noch mal ganz wichtig. Wenn ich über meine Zeit in den Basisgruppen und in dieser Widerstandsbewegung rede, dann ist das natürlich was ganz anderes, als wenn jemand wie Roland Jahn zum Beispiel darüber spricht, der eben zehn, 20 Jahre vorher aktiv war im Widerstand. Da war die DDR noch ein viel, viel repressiverer Staat. Da haben wir in der Zeit, in den späten 80er Jahren tatsächlich deutlich mehr Bewegungsspielraum gehabt. Und das finde ich schon immer noch mal wichtig, weil man auch das wirklich nicht über einen Kamm scheren kann, welche Erfahrungen man da eigentlich gemacht hat.