Abschrift
Ich war schon ein Musterkind. Ich war bei den Pionieren, in der FDJ. Bis zur neunten Klasse lief bei mir eigentlich alles ganz bilderbuchmäßig. Aber nicht so mit der akuten Rotlichtbestrahlung aus dem Hintergrund. Ich kam dann zur EOS. Irgendwie fing es dann so ab der zehnten Klasse an, dass ich vieles als scheinheilig durchschaute. Dann habe ich viel rebelliert. Das war sicher eine Mischung aus pubertärer Rebellion und politischem Touch.
Ich fing in Staatsbürgerkunde an, ein bisschen zu diskutieren oder zog kein FDJ-Hemd an, wenn ich das sollte. Dann fing es langsam an, dass ich zum Direktor musste. Dann gab es so eine Sache an der EOS [Erweiterte Oberschule]: Da war ein Junge, der sich verpflichtet hatte, Offizier zu werden und deswegen auch an die Schule konnte, es sich dann aber wieder anders überlegte. Da war großer Bahnhof, große Versammlung und so eine Veranstaltung: ´Kritik und Selbstkritik` vom Feinsten. Der sollte bekehrt werden oder von der Schule fliegen. Alle sollten darüber abstimmen. Haben auch alle, bis auf zwei Leute: eine Freundin und ich. Das war nicht einsehbar für mich. Das fand ich verlogen. Der wurde total runtergemacht. Er hat mir einfach Leid getan. Mein normales Empfinden hat einfach dagegen gesprochen.
Es fing in der elften, zwölften Klasse an, dass ich sehr skeptisch war. Ich habe zwar mein Abitur mit zwei gemacht, aber dann ging es ja darum, sich zum Studium zu bewerben. Mir wurde gesagt: ´Sie brauchen sich gar nicht zu bewerben. In Ihrer Akte steht: nicht geeignet`. Ich weiß es gar nicht mehr so genau, aber da gab es solche Vermerke: geeignet, nicht geeignet.
Ich hatte sowieso keine Lust und war froh, dass ich mich in dem Moment, wo ich das Abitur in der Tasche hatte, von allem verabschieden konnte. Diese Bildung, dieses System empfand ich als verlogen und scheinheilig – das war mir in dem Moment schon teilweise bewusst. Ich wollte instinktiv so wenig wie möglich damit zu tun haben.
Evelyn Zupke, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de