Abschrift
Also Thema Wahl stand ja sowieso an, weil, es waren ja dann die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989. Und dann haben wir uns gedacht, dass man da noch mal ganz anders rangehen müsste, nämlich nicht nur, dass man so ein bisschen auszählt und sagt, ja, das stimmt ja alles nicht und ist ja alles Quatsch, sondern sozusagen den schlagkräftigen Beweis liefert. Und dazu haben wir dann einen Plan gemacht. Also wir haben das auch ganz bewusst nicht so konspirativ gemacht, weil wir dachten, wissen tun die sowieso alles, also das ist Quatsch. Und für das, was wir vorhaben, das müssen wir eh auf eine breitere Basis stellen. Also das kann man jetzt mit so einem kleinen Friedenskreis überhaupt nicht schaffen, überhaupt nicht realisieren.
Und dazu haben wir im Gemeindezentrum Hohenschönhausen, im Grüber-Zentrum, haben wir dann, ich weiß nicht mehr, zwei oder drei Veranstaltungen gemacht ab Februar also zum Thema Kommunalwahlen unter verschiedenen Aspekten. Also erst mal so das Wahlgesetz auseinandergenommen, geguckt, was gibt es da, also was steht das drin, wie funktioniert das überhaupt mit der Wahl. Dann die Frage, wie werden Stimmen gewertet, Gegenstimmen, Nein-Stimmen, Ja-Stimmen. Also, da gab es ja auch ganz viele Sachen, die das so offengelassen hatten, was einem ja auch von den Verantwortlichen eigentlich niemand konkret beantworten konnte. Und da hatten wir schon einen regen Zulauf, also da waren wir schon immer so 200, 300 Leute. Die Leute waren also … ja, haben auch dann viele gleich so signalisiert, dass sie da Interesse hatten, sich auch aktiv einzubringen, also völlig unbescholtene Bürger so, die jetzt überhaupt nicht da in der Opposition waren oder irgendwelche Ambitionen hatten. Also, das war eigentlich ganz toll. Und die letzte Veranstaltung war dann, da haben wir direkt auch den Ablauf des 7. Mai dann so vorgestellt, also wie wir das machen wollen. Wir hatten dann so eine Art, ja, Wahlbüro eigentlich. Das war dann in meiner Wohnung. Und das haben wir deswegen in meiner Wohnung gemacht, weil ich halt – also wieder Kirche –, weil ich ja auf dem Gebiet der Kirche gewohnt habe und dass wir dann gedacht haben, okay, da ist der Zugriff … da ist so `n bisschen Pufferzone zwischen Eingang zum Kirchengelände und meiner Wohnung. Und das hat ja auch funktioniert. Also, die standen zwar so auf der Straße, da standen ganz viele, aber die haben nicht eingegriffen. Aber um zur Frage zurückzukommen, also, dieses Wahlbüro: Haben wir dann den Leuten erklärt und haben auch Zettel gemacht, also wann die eintreffen sollten, haben Karteikarten gemacht, wo dann direkt die Adressen der Wahllokale …, also Stimmen, Ja-Stimmen, Nein-Stimmen, ungültige Stimmen, noch mal meine Telefonnummer, Straßenbahnverbindung, wo das Wahllokal ist, also logistisch alles sehr ausgefeilt.
Die Leute sind dann alle ausgeschwirrt mit diesen Karteikarten an die jeweiligen Wahlbüros zur Auszählung um 18.00 Uhr und kamen dann danach mit den Ergebnissen zurück in unser Wahlbüro. Und dort haben wir dann eben alles vorbereitet gehabt, Listen … und haben die Karteikarten dann, also die Zahlen, die auf den Karteikarten standen – das war ja sozusagen das öffentlich bekannt gegebene Wahlergebnis –, übertragen und haben einfach gerechnet. Der Gedanke dahinter war erst mal, also wirklich nachzuweisen, also ohne dass irgendwie da `ne Lücke wäre – also, da könnte man ja noch dies …, und das ist ja gar nicht …, und in den drei Wahllokalen …, na ja, aber dafür war es in den anderen so … –, sondern erst mal wirklich diesen Beweis zu haben, um dieses allgemeine Gerede: Na ja, ist ja eh immer gefälscht, aber man kann ja nichts machen, na, ist eben so … Also haben wir gedacht, so als Erstes erst mal dies wirklich: diesen handfesten Beweis. Und dann natürlich die Verantwortlichen damit konfrontieren. Und natürlich immer die Hoffnung, wenn man so was gemacht hat, damit erst mal was zu bewegen. Also, natürlich was jetzt das Endziel davon … weiß ich nicht … Also, da gab es sicherlich jetzt nicht so was, dass man sagte: Am Ende wollen wir jetzt hier eine andere Wahl, ein anderes Wahlgesetz. Das war sicher immer alles vor dem Hintergrund, dass es Reformen also geben müsste, also, das sind so die einzelnen Bausteine dann dazu gewesen. Nicht das eine würde jetzt zu Reformen führen, sondern, ja, Wahl ist ja irgendwie ein zentraler Punkt, also eine Machtstütze des Systems. Und wenn man da natürlich rangeht, ist das schon … Also haben wir uns gedacht, dass man da auf jeden Fall was bewegen kann.
Evelyn Zupke, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de