Abschrift
Leipzig war so eine Besonderheit, dort gab es seit 1988 jeden Montag die Friedensgebete in der Nikolaikirche. Da haben wir immer versucht, das Gebet mit einer Aktion zu verbinden. Das waren zum Teil primitive Sachen: Wir müssen auf die Umweltsituation aufmerksam machen. Wir sind nach dem Friedensgebet in einen Park von Leipzig gegangen und haben Papier aufgelesen oder sauber gemacht. Symbolische Aktionen, um die Leute zu animieren: ´Ihr seid selber verantwortlich für eure Umwelt`. Im November 1987 war der Überfall auf die Umwelt-Bibliothek [Berlin]. Die Staatssicherheit hat die Umwelt-Bibliothek in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überfallen und versucht, die Drucker des ´grenzfall`, das war die Samisdat-Zeitschrift, auf frischer Tat zu ertappen. Aber die wurde an dem Tag gar nicht gedruckt. Trotzdem wurden die Leute inhaftiert. Sie wurden aber ganz schnell wieder frei gelassen.
Im Januar 1988 war die Karl-Liebknecht-Rosa-Luxemburg-Demonstration` an der verschiedene Oppositionelle teilgenommen haben – wie Stefan Krawcyk, Freya Klier, Wolfgang Templin, Bärbel Bohley, Gerd Poppe, glaub ich noch. Die sind auch inhaftiert worden. Stefan Krawcyk und Freya Klier sind in den Westen abgeschoben worden. Da gab es eine Riesen-Solidarisierungs-Aktion in der ganzen DDR, auch in Leipzig. Es fanden in vielen Kirchgemeinden jeden Tag Veranstaltungen statt, Fürbitt-Aktionen. Das hat einen Riesen-Mobilisierungs-Effekt für Leipzig gehabt, weil man gemerkt hat: Man kann was erreichen und diesen Staat unter Druck setzen.
Friedensgebete wurden nach diesen Ereignissen 1988 viel politischer. Dort sind auch Gruppen aufgetreten, die politische Forderungen gestellt haben. Das hat wiederum anderen Gruppen nicht gepasst. Die haben gesagt: ´in Friedensgebet, das ist kein Polit-Forum. Da können wir keine Erklärungen vorlesen. Das ist ein Friedensgebet, der Charakter muss erhalten bleiben` Da gab es Konflikte zwischen den einzelnen Gruppen.
Uwe Schwabe, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de