Abschrift
Ich habe den normalen Lebensweg, wie ihn viele, oder fast alle in der DDR mitgemacht haben: Jungpionier mit rotem Halstuch, das irgendwann blau wurde. Dann war ich in der FDJ. Für mich war das ganz normal, ich habe einfach mitgemacht, was alle mitgemacht haben. Ich fuhr in die Ferienlager, machte die Pionierappelle mit. Ich hatte aber irgendwann mal das Glück, jemanden kennen zu lernen, der mich in diese Kreise eingeführt hat, die im kirchlichen Rahmen aktiv gewesen sind. Das war ein wichtiger Punkt in meinem Leben. Man musste jemand kennen lernen, der einen einführt, weil es sehr schwer war, als Nicht-Christ Kontakt zu diesen Leuten zu finden.
Dort diskutieren Leute politisch, setzten sich mit politischen Themen auseinander, redeten offen und frei. Das war ich früher nicht gewohnt. Bei der FDJ-Versammlung oder im FDJ-Studienjahr, da wurde nicht politisch diskutiert. Ich bin noch in einer Zeit groß geworden, in der viele Blues-Gruppen gespielt haben. Wir sind durch die Gegend getrampt und den Gruppen durch die ganze DDR hinterher gereist. Wir sind im Sommer nach Ungarn und Bulgarien getrampt – zu Konzerten. Das war eine sehr wichtige Zeit für mich, ich war so einer, der eher in der Hippie-Blues-Bewegung groß geworden ist. Das hat mich geprägt. Die Leute haben eine ziemlich freie Einstellung zum Leben gehabt. Die wollten einfach nur leben, Spaß haben, sich frei entfalten können. Und das konnten sie in diesem Staat nicht.
Der Widerspruchsgeist entwickelte sich bei mir etwas später, und zwar während meiner Armeezeit. Das war für mich ein zentrales Ereignis, denn dort hatte ich erlebt, wie dieser Staat funktioniert: diese Demütigungen, diese Bespitzelungen, diese Propaganda-Lügen, die es dort gab. Dass da Leute saßen, die meinen weiteren Lebensweg bestimmen konnten. Ich habe während dieser Armeezeit erlebt, dass die diese Macht hatten. Der Kompanie-Offizier hat mich entlassen, mit dem Hinweis: ´Herr Schwabe, wir werden dafür sorgen, das Sie in der Kohle landen`.
Ich habe nach meiner Armeezeit Udo Hartmann kennen gelernt, und der führte mich ein. Da gab es jedes Jahr im Herbst eine Friedensdekade: Das heißt, da wurden für eine Woche oder elf Tage Veranstaltungen zum Thema Frieden durchgeführt. Und das in allen größeren Städten der DDR. Das fand in vielen Kirchgemeinden statt. Da haben sich Gruppen vorgestellt, die es damals im Umfeld der Kirche gegeben hat. Zum größten Teil Umweltgruppen, Dritte-Welt-Gruppen, Menschenrechtsgruppen und auch die ´Arbeitsgruppe Umweltschutz`. Die haben 1984 Mitstreiter gesucht und eine richtige Ausstellung gemacht. Die haben gesagt: ´Uns gibt es, wir machen dies und das mit diesen Themen, und wir suchen Leute, die daran interessiert sind`. Das hat mich interessiert, ich bin zu dem ersten Treffen hin und in diese Gruppe hinein gekommen. Ich hab da sehr aktiv bei verschiedenen Aktionen und Ausstellungen mitgemacht. Wir haben Veranstaltungen in Gemeinden gemacht und darüber informiert, wie man Umweltschutz selber praktizieren kann.
Uwe Schwabe, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de