Abschrift
Ein wesentliches Moment in der Schule war der ausgeübte Zwang zur Lüge. Selbst die Lehrer, die eigentlich gegen das Regime waren, mussten uns anhalten, in den Schulaufsätzen, in Prüfungen und so weiter, die Dinge so vorzutragen, darzustellen, wiederzugegeben, wie wir sie lernen sollten. Und das hieß praktisch: zu lügen oder Darstellungen zu geben, von denen wir wussten, dass sie falsch, verdreht, primitiv sind. Das war ja vor allem beim Stalinkult der letzten Jahre des Lebens von Stalin, also vor allem ab 1951, derartig penetrant, dass jeder darüber stolperte. Trotzdem musste das in Schulaufsätzen so wiedergegeben werden. Das ging zum Teil ganz primitiv zu. Ich habe einen Aufsatz gesehen, von einem späteren Mitglied dieser Widerstandsgruppe, da war was über Stalin zu schreiben. Da schrieb der Schüler: Stalin hat die Großbauten des Kommunismus errichtet`. Und da ergänzte der Lehrer: der große Stalin`. Solche Skurrilitäten konnten da entstehen. Aber manchmal war es eben auch ernst zu nehmen. Und wenn man das nicht so richtig machte, konnte es zu Problemen kommen.
Thomas Ammer, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de