Abschrift
Also, es gab eine ungeheure Solidarität, es kamen irgendwelche auch Studenten, Theologiestudenten, die einem dann auch Geld zusteckten für die Verhafteten, die irgendwo in ihren Gemeinden im Erzgebirge oder ich weiß nicht wo gesammelt hatten. Also das war schon auch enorm, ja?
Und wie hat sich die Kirche in der Zeit verhalten?
Na, gegen Thomas Auerbach speziell sowieso schon vorher sehr, sehr ablehnend, ja? Der war einfach zu laut und hat zu offen politische Meinungen verkündet, die nun der Kirche gar nicht passten in ihrem Kurs, diplomatischen Kurs, den die da so mit der DDR fahren wollten, ja? Na ja, es gab dann immer auch Leute, einen Oberkirchenrat, an den ich mich erinnere, der dann auch mal, weiß ich, dann einen Sprecher in Karl-Marx-Stadt hatte, einmal mit mir mitfuhr und dann auch durchsetzte, dass der Bruder Auerbach eine Bibel im Gefängnis bekam. Und es stellte sich aber dann heraus, jetzt nach 89, dass der eben auch IM war der Staatssicherheit, ja? Und auch andere, der Superintendent von Jena, der Stadtjugendpfarrer von Jena, der nächste Stadtjugendpfarrer, alles waren Spitzel der Staatssicherheit, ja?
Und wie hat man in der Universität auf Sie reagiert, auch auf Ihre Verhaftung dann und als Sie dann wieder da waren als Studentin?
Es war sehr zwiegespalten. Es gab einige Dozenten, also eher Theologen und Lateinprofessor und so weiter, die ungeheuer solidarisch waren und auch sagten, uns warnten – es waren ja mehrere Theologiestudenten, die verhaftet worden waren –, die sagten, sie hätten diese Erfahrung schon 1968 gemacht. Da hätten nämlich Theologen Flugblätter gegen den Einmarsch in der Tschechoslowakei verteilt, und es wäre klar gewesen, dass einige von denen angeworben worden wären für die Stasi. Und wir sollten da ungeheuer aufpassen. Wenn es solche Versuche gibt, sollten wir uns sofort melden bei ihnen. Und es gab dann tatsächlich einen Versuch, einen Theologiestudenten zu erpressen. Und der hat das aber dann durch Öffentlichkeit sozusagen verhindern können.
Also das war vielleicht das Einzige, was wir auch wussten, wie man mit Stasi umgeht. Dass, wenn man das erzählt, dass man für die unbrauchbar wird. Also wenn man sagt: „Okay, ich arbeite mit, aber Sie müssen verstehen, dass ich meinem Beichtvater oder meinem Pfarrer davon erzähle“, also dass bekannt ist, dass derjenige IM ist, dass das dann für die uninteressant wird, ja? Die brauchten Leute, die anonym da Spitzeldienste leisteten.
Doris Liebermann, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de