Abschrift
Wir waren auf dem Weg nach Berlin Mitte, mit der S-Bahn von Grünheide. In der S-Bahn waren schon irgendwelche Gestalten. Da sind wir am Alexanderplatz aus der S-Bahn rausgesprungen, in den Schutz der Arbeiterklasse. Die haben sich ganz schnell verdrückt, als die Stasi hinter uns her war. Dann haben die uns auf dem Alexanderplatz, auf dem Weihnachtsmarkt, hops genommen. Ab zu einer Befragung natürlich, das dauert nicht lange. Dann haben sie uns in die Magdalenenstraße gefahren, und dann sind wir verschwunden.
Es hieß, 24 Stunden können sie dich behalten, dann müssen sie dich wieder freilassen. Alles Irrwitz, wie ich inzwischen weiß. Die machten, was sie wollten. Es gab keine Regeln und keine Beschwerdestelle oder irgendetwas. Als ich nach einem Anwalt verlangte, hat der Stasi[-Mitarbeiter] zu mir gesagt, worüber ich mich ein bisschen gewundert habe: ´Wir leben hier doch nicht in einer bürgerlichen Demokratie`. Ich dachte: `Sie kaschieren es vielleicht ein bisschen. Nee, das war ganz klare Sache. Das kannst du vergessen mit deinem Anwalt`.
Dann wurden wir die ganze Nacht befragt und haben dort geschlafen, notdürftig in so einem Vernehmerzimmer. Am nächsten Tag, da kamen dann die Stiefel. Es herrschte ein ganz anderer Ton – und zack, rüber gefahren in dieses Hohenschönhausener Gefängnis. Von da an war man eben ein Beschuldigter. Verdacht auf Asozialität, hieß das.
Frage: Weil sie nicht mehr berufstätig waren?
So ungefähr, ja. Man nimmt jemandem die Erlaubnis zu arbeiten weg und sagt: ´Du bist ja asozial`. Ich hatte verschiedene Anträge gestellt, um meinen Ausweis wieder zu kriegen. Ich arbeitete mit der Band zusammen, das ging alles nicht so einfach. Da habe ich natürlich Haftbeschwerde eingelegt. Aber man kam gar nicht dazu, mit diesem Haftrichter zu reden. Da wurde einfach abschlägig beschieden, und der Stasi sagte zu mir: ´Sie wollten es ja nicht anders. Wir erweitern das Verfahren auf staatsfeindliche Hetze`. Da war es gelaufen. Da wusste ich: So schnell kommst du hier nicht wieder raus.
Ich bin nicht wieder nach Hause gekommen. Ich war bei Robert Havemann in Grünheide, bin verhaftet worden und nach einem dreiviertel Jahr in West-Berlin gelandet.
Christian Kunert, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de