Abschrift
Können Sie uns erklären, was die sogenannten Storkower Tunnelmaler waren, was die gemacht haben?
Also ich selber war da nicht dabei, aber ein Freund von mir, gerade meine frische neue Liebe, war da mit bei. Und die haben einfach den Storkower Tunnel – das war so ein ellenlanger Tunnel, wirklich so fast, weiß ich nicht, ein Kilometer lang oder so, einfach nur so aus Blech und Glas und Stahl – und den haben die bemalt. So mit … das war einfach so eine Aktion, mit Blumen, weiß ich nicht, Schwerter zu Pflugscharen, irgendwie kleine Raketchen, aber alles völlig … ja, ganz friedlich, also vor allen Dingen Blümchen. Und wahrscheinlich haben sie noch einen Schneemann gemalt oder – keine Ahnung. Auf jeden Fall war das nicht eine hochpolitische oder brisante Aktion. Und dann kam ein Polizist, ein einziger Streifenpolizist, hat die Ausweise eingesammelt von denen und hat sie gebeten mitzukommen aufs Revier. Und das haben die auch gemacht und sind dann allerdings sofort in U-Haft gekommen und ein Teil von den Leuten haben einfach nur für diese Aktion sieben Monate Knast bekommen. Und die sind da auch massiv unter Druck gesetzt worden, dass sie eben ausreisen, mehr oder weniger also freiwillig die DDR verlassen, was zum Teil ja dann nachher auch passiert ist.
Und Ihr Freund ist dann auch ausgereist?
Ja, der war dann noch kurz in der DDR, so etwa ein halbes Jahr. Und das war wirklich schlimm. Also jeden Tag, mindestens um 10.00 oder um 11.00 Uhr kam die Stasi, hat eine Hausdurchsuchung gemacht, also jeden Tag, einfach so, obwohl die wussten, er ist nicht mal da. Der hatte dann bei der Kirche so im Kindergarten gearbeitet, weil es wichtig war für die Leute damals, dass sie immer einen Job hatten irgendwo. Weil man sonst … eigentlich gab es diesen Asi-Paragraphen nicht mehr, also einen Paragraph, wo man wegen Asozialität ins Gefängnis kommen konnte, sondern … Aber so die Angst, dass sie irgendeinen Vorwand suchen, einen wieder in U-Haft zu stecken oder eben, weiß ich, zu irgendwas anderem zu verdonnern, war eben ziemlich groß. Und Thomas hat dann damals eben im Kindergarten so eine Stelle gekriegt, im kirchlichen Kindergarten. Und ja, ich hab da eben so, wenn ich Urlaub hatte oder so, da geschlafen. Und wirklich jeden Tag kamen die Typen, jeden Tag dieselbe Frage, wo er ist und wie lange er da ist. Also, das war wirklich lächerlich, weil, die wussten ganz genau, wo er ist. Die wollten halt auch andererseits kontrollieren, wer in seiner Wohnung übernachtet, was das für Leute sind und so. Und ja, und irgendwann wurde der Druck so massiv … Also, die haben immer offen observiert auch, also standen den ganzen Tag unten auf der Straße, als wenn sie wirklich nichts Besseres zu tun hatten. Und ja, und irgendwann ist er dann gegangen, weil, so kann man irgendwie nicht leben.
Uta Ihlow, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de