Abschrift
In der Umwelt-Bibliothek wurden unten gerade die Umweltblätter gedruckt. Ich hatte oben Galeriedienst und habe für die anderen unten Kaffee gekocht. Dann sind wir runter, sind wirklich bloß noch in die Hintertür rein, in das Treppenhaus gekommen, und da standen schon zwei, drei Herren von der Staatssicherheit. Sie haben uns sofort auf das nächste Treppenpodest bugsiert und da hörte man bloß, dass ziemlich viele Leute hin und her rennen. Damit war auch klar, dass die Leute verhaftet werden, dass gerade eine Hausdurchsuchung ist.
Nachdem die weg waren, sind wir auch in die Magdalenenstraße zum Verhör gefahren worden. Da muss ich sagen, hatte ich am Anfang Angst. Aber nur am Anfang. Irgendwie nicht mehr, dann war klar: Entweder du kommst jetzt in den Knast oder nicht. Da braucht man sich nicht mehr so große Sorgen machen. Nicht, dass ich nicht Angst hätte vorm Knast oder Respekt. Irgendwie warst du ja mehr oder weniger ständig darauf eingestellt, dass dir auch was passieren könnte, dass du durchaus mal für eine Zeit lang ins Gefängnis kommst. Das war schon klar.
Wir sind um zwei verhaftet worden. Abends um 22 Uhr sind wir zu mir in die Wohnung gefahren, dann war da noch eine Hausdurchsuchung. Dann haben sie mich draußen gelassen. Gegen Mittag hatte meine Chefin von der Uni-Bibliothek meine Eltern angerufen, was mit mir ist, wo ich bleibe. Mein Vater ist in die Umwelt-Bibliothek gefahren und hat versucht, Simon zu erreichen, unseren Pfarrer. Ob der weiß, wo ich bin? Keiner wusste von Andreas [Kalk] und mir, dass wir verhaftet worden sind. Mein Vater hatte irgendwie ein schlechtes Gefühl und ist in meine Wohnung gefahren. Das haben wir nie vorher abgesprochen, wirklich, nie. Er hat alles, was er an handschriftlichen Sachen gefunden hat, mitgenommen. Ich habe dummerweise Tagebücher geführt, wo ich manchmal auch Sachen reingeschrieben habe, die für ein Gerichtsverfahren wirklich relevant gewesen wären. Er hat das alles mitgenommen.
Während der Hausdurchsuchung habe ich immer geguckt, ob die Stasi irgendwie heimlich meine Tagebücher einsteckt. Bei den offiziellen Sachen – die zeigen die ja zum Schluss – erheben die ein Protokoll darüber. Ich habe immer gesucht: Wo sind diese Tagebücher? Die nächstfolgenden Tage ist bei mir jede Nacht die Stasi gekommen beziehungsweise die Kriminalpolizei und hat mich auf irgendein blödes Revier gefahren. Jede Nacht. Die haben mich nicht besonders lange verhört. Das war richtig Psychoterror, so, dass man einfach nicht zum Schlafen kommt. Die letzte Nacht habe ich bei meinen Eltern geschlafen, weil ich einfach erledigt war. Ich wollte wirklich zurück zu Mama. Ich wusste einfach nicht, wohin.
Uta Ihlow, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de