Abschrift
Meine Eltern waren beide nicht in der Partei, waren aber nicht antisozialistisch, sondern haben versucht, das Beste rauszuziehen. Sie sind auch bewusst in der DDR geblieben. Meine Eltern hielten es für ganz gut, dass ich auch die andere Seite kennen lerne: die kirchliche Erziehung. Und deswegen musste ich ab der ersten Klasse in die Christenlehre gehen. Für mich war das problematisch, weil meine Lehrerin die Kinder nicht akzeptiert hat, die in der Kirche waren. Die wurden ausgeschlossen, indem sie nicht mehr zu Pionierfahrten kommen durften. Und du bist auch manchmal diskriminiert worden. Bei mir war das nicht so stark, aber ich wollte natürlich von meiner Lehrerin in der ersten, zweiten Klasse völlig akzeptiert werden. Ich war sehr gut in der Schule, habe immer versucht die Beste zu sein, war in allen möglichen AGs. Ich habe Sport, Zeichnen, Musik, Gruppentanz und so weiter gemacht. Und damit kam ich nicht zurecht, mit dieser Diskrepanz zwischen Kirche und Staat.
In der neunten Klasse, da hatten dann ein paar Leute aus meiner Klasse ganz groß an die Turnhalle geschrieben: ´Schwerter zu Pflugscharen.` Da ging tierisch was los, dann kam die Stasi, die Feuerwehr, die Polizei in die Schule, in die Klassen, hat die Hefter eingesammelt, Schriftkontrolle ... Die haben die Kinder, die sie herausgefunden hatten, wirklich stundenlang verhört, teilweise ohne Wissen der Eltern. Dann gab es noch so eine Geschichte: Einer, der bei mir oben im Haus gewohnt hat, wurde von der Staatssicherheit um elf von der Schule abgeholt und war abends um zehn noch nicht zu Hause. Die Mutter wusste nicht, wo ihr Sohn ist. Die kam dann zu uns runter. Wir wussten zumindest, dass er irgendwo bei der Polizei oder bei der Staatssicherheit war. Wir waren 15, und die haben die Kinder massiv unter Druck gesetzt. Da sind einige bei rausgekommen, die später niemals mehr den Mund aufgemacht haben und niemals mehr irgendwas gesagt haben, weil sie einfach Angst hatten.
Uta Ihlow, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de