Abschrift
Das war eine sehr abenteuerliche Zeit. Manchmal bedrückend oder traurig, aber eine wahnsinnig intensive Zeit. Wir haben kaum geschlafen, wir haben ständig irgendwas gedruckt, gearbeitet. Das war auch für alle anderen, denke ich, eine wahnsinnig schöne Zeit. Gefährlich, traurig... Es sind ja trotzdem immer noch Leute verhaftet, Kinder von ihren Eltern getrennt worden. Wo die Eltern plötzlich nicht mehr wussten, wo die sind oder die Kinder nicht mehr aus den Heimen zurückgekriegt haben, weil sie mal einen Tag in U-Haft waren. Solche Sachen sind ja trotzdem weiterhin passiert. Aber man konnte langsam was dagegen tun. Man konnte versuchen, Presse einzusetzen. In dem Fall war für uns die West-Presse wirklich wichtig.
Aus irgendeinem Grund hatten wir immer, glaube ich, trotzdem die Hoffnung, dass wir eine DDR aufbauen. Eine freie, demokratische Gesellschaft, in der man wirklich leben kann. Und so einfach vom Westen geschluckt zu werden, lag auch nicht in unserem Interesse. Wir wollten ja keinen Kapitalismus. Und auch nicht diese komische Marktwirtschaft.
Das Wichtigste war dieses Gefühl der Ganzheitlichkeit. Dass man ganzheitlich lebt, dass man den ganzen Tag, von morgens bis nachts bis morgens absolut identisch mit sich war, mit dem, was man möchte, mit dem, was man will. Dass man sich da hinbegibt, wo es einen stört und direkt versucht, was zu machen. Und das Gefühl hat, man macht es nicht mal alleine, sondern mit Leuten zusammen. Das war natürlich wichtig. Da sind viele Freundschaften entstanden. Wir können uns zehn Jahre nicht sehen, wir reden fast direkt am Thema weiter. Das war das Wichtigste, das es echt war.
Uta Ihlow, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de