Abschrift
In der Nacht vom 19. zum 20. Juni haben sie uns nach Frankfurt/Oder, transportiert, zur Staatssicherheit. Ja, das möchte ich sagen, das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens. Von da an, bis zum Prozess, habe ich nicht geschlafen. Der Prozess fing am 25. Juni an. Am Tage stand einer vor der Tür und hat aufgepasst, ob Sie ein Auge zu tun. Wenn ja, dann Tür auf, und er hat Sie angeschrien. Da war ich zusammen mit dem BGL-Vorsitzenden von Storkow, der ist jetzt tot. Der hat auch fünf Jahre gekriegt. Vier Mann in der Zelle, und die Quadratmeter, die wir zur Verfügung hatten, ich sage Ihnen ...
In der Ecke war unser Notdurftkübel. Da gab es keine Toilette. Notdurftkübel, Tisch. Die anderen saßen auf der Bretterpritsche. Wir haben zu viert geschlafen, das war eine Breite von vielleicht drei Metern. Dann kommt's: Jede Nacht bis morgens zur Vernehmung, auch meine Kollegen. Ich bin jede Nacht bis zum 24. da hin, ich hab nur noch gewackelt. Am 25. abends ging's zum Prozess.
Am 25. musste ich das erste Mal tagsüber zur Vernehmung. Ich musste ins Zimmer reinkommen. Da war ein Stasi-Mann in Uniform – in all den anderen Nächten waren sie in zivil. Den Mann würde ich heute noch wieder erkennen, weil er blonde Haare hatte und hier eine Narbe. Er legt mir einen Zettel vor, und ich soll unterschreiben. Nun habe ich das gelesen. Da stand sinngemäß drauf: Wir hätten von den westlichen Geheimdiensten den Auftrag erhalten, den Streik vom Zaun zu brechen.
Wissen Sie, ich war so fertig wegen der anderen Nächte, ich hab mit dem Schlaf zu kämpfen gehabt, ich hab ja nur noch gewackelt. Aber das wusste ich genau. Wie konnte ich das denn sagen? Das wäre ja eine Lüge gewesen. Ich sag: ´Das hab ich nicht gesagt`. Ich sitze hier auf dem Schemel, ein Tisch dazwischen, und so, wie Sie jetzt sitzen, saß der Stasi-Mann. Springt auf, kommt rum, schmeißt mich vom Hocker, tritt mir mit den Beinen in den Hintern und brüllt mich an: Ich soll mich an die Wand stellen. Ganz ehrlich, ich hab gedacht: Jetzt ist Feierabend!
Heinz Grünhagen, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de