Abschrift
„Ich bin eigentlich immer aufgefallen, habe immer versucht, zu provozieren. Damals gab es diese – heute lacht man darüber – harmlosen Aufkleber: Schwerter zu Pflugscharen` – Frieden schaffen ohne Waffen`. So was hat man sich auf die Schulmappe oder auf die Federtasche geklebt. Darüber gab es doch tatsächlich eine Lehrerversammlung, wo alle Lehrer der Schule diskutierten, ob das jetzt in Ordnung wäre oder nicht. Sie fassten einen Beschluss, dass der Frieden schaffen ohne Waffen`-Aufkleber dem Staatsziel entspräche und somit da verbleiben könne, wo er ist. Aber Schwerter zu Pflugscharen` wäre eine Provokation, die die Nachrüstung in Frage stellen würde, und damit sei er zu entfernen. Das wurde dann durch die Staatsbürgerkundelehrerin durchgeführt.
Letztlich haben sie sich dann in der Prüfung gerächt: Ich kam in all die Prüfungen, die ich gerade nicht wollte, zum Beispiel in Staatsbürgerkunde. Da gab es dann solche Fragen: Nennen sie Beispiele zur Durchsetzung der Diktatur des Proletariats. Mir war es dann wichtig, die Ausbürgerung Wolf Biermanns zu schildern und zu benennen. Das hat denen natürlich nicht geschmeckt. Obwohl es ganz klassisch ist, glaube ich. Und ja, dafür wurde ich gerügt, und meine Zensuren wurden nachunten korrigiert.
Durch einen Zufall habe ich Freunde kennen gelernt, die regelmäßig in eine Kirchengemeinde gingen, in den Berliner Stadtbezirken. Ich bin da mal mitgegangen. Ich fand das total spannend, wie da diskutiert wurde, über alle möglichen Themen, auch über die Bibel. Das wurde zu einer Regelmäßigkeit. Im Laufe dieser Geschichte haben wir mal zusammen Konzerte besucht, unter anderem von Stephan Krawczyk und Freya Klier. Das hat eigentlich genau das Gefühl zum Ausdruck gebracht, das ich damals hatte – und auch diese Auseinandersetzung, in der ich mich als Jugendlicher bewegt habe. Ich bin da immer wieder hingegangen und habe ihn [Stephan Krawczyk] irgendwann mal angesprochen. Daraus hat sich fast so eine Art Freundschaft entwickelt, für ihn in der Zeit vielleicht sogar auch. Ich meine, ich war ja sehr jung. Und irgendwann habe ich ihn mal gefragt, was man denn so machen kann, wenn man was machen will. Und er meinte, da habe sich gerade so eine Gruppe gegründet, die Umwelt-Bibliothek in der Zionskirchengemeinde. Geh doch da mal hin.` Und das habe ich gemacht.“
Till Böttcher, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de