Abschrift
„In Leipzig. Auch das ist in der Laufkarte alles vermerkt: mit wie viel Verpflegung wir da nach Waldheim auf Transport geschickt wurden ... Die erste Station war für uns Waldheim. Da ausgeladen worden, der Empfang war grundsätzlich in der Anstaltskirche. Das erste Mal gesehen, wie die alle mit Holzschuhen rumliefen. Diese berühmte Uniform, diese Streifen. Zu unserem Entsetzen trugen alle Glatze. Geschrei, Getobe und sonst was, und wir wurden auch entsprechend empfangen. Alle Klamotten abliefern, ausziehen, filzen. Das erste Mal eine richtige Filzung; sie haben in alle Körperteile hineingeschaut. Dann Untersuchung durch die Ärzte, die waren Gefangene. Flüsternd fragten sie: ,Woher kommt ihr, was ist?'. Wir bloß das Stichwort gesagt: ,Aus Werdau.' Sie wussten Bescheid. Das war also schon durch den Buschfunk, oder wie man das nennen mag, bekannt gewesen.
Sofortige Reaktion: Wir helfen euch, ihr habt was für uns getan. Die fühlten sich ja vergessen, diese Waldheimer. Solche Aktionen wie unsere waren im Grunde genommen in diese Richtung gedacht. Wir wussten zwar keine Details, was in Waldheim geschehen war, aber auf jeden Fall ging's in diese Richtung: keine politischen Gefangenen und anderes mehr.
Die Ärzte gaben uns die erste Überlebenshilfe: ,Seid vorsichtig vor dem...'. Dann ging's weiter. Wir wurden in die verschiedenen Zellen verlegt. Zunächst mal in den Viehstall im alten Zellenhaus, dann ging's ins große Zellenhaus. Wir bekamen in der vierten Etage oben eine Zelle, die nach Norden ging. Vergitterte Fenster, klar im Knast. Aber davor noch Holzblenden, also kein Tageslicht. In der Zelle waren wir nur zu dritt, später waren wir auf diesen 8,3 Quadratmetern mit vier oder sechs Personen – Tag und Nacht. Wie viele Quadratmeter, das war genau angegeben vor jeder Zelle. Schön akribisch in preußischer Manier.
Zunächst waren wir dort also zu dritt drin, ausnahmsweise sogar zwei Leute aus unserem Fall. Karl-Heinz Eckhard war noch mit dabei, der zu 14 Jahren verurteilt worden war. Er war gerade mal 16 Jahre alt. Und ja: Ungeziefer, Hunger, Glatzen hatte man uns inzwischen geschoren. Ich empfand das als ungeheuer diskriminierend. Wir hatten keine Toilette, nur so einen Marmeladeneimer. Kein Deckel, das stank fürchterlich. Und dann hatten wir nur eine ganz dünne Decke. Acht Wochen lang kein Wäschewechsel. Später wurde das ein bisschen besser.“
Quelle: Zeitzeugeninterview mit Achim Beyer am 11. Oktober 1998, Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur