Abschrift
„Inzwischen war ich in der Nähe von Triptis. Da gibt es eine Autobahnraststätte. So aus der Literatur der Nazizeit: Wie macht man das? Möglichst unter viele Leute! Da bin ich in die Autobahnraststätte rein, hab mir dort noch ein Frühstück bestellt, und sitze so da. Plötzlich geht eine Tür auf, kommt ein Volkspolizist in nicht ganz vollständiger Uniform rein. Da fehlt die Mütze und die Jacke. Er guckt, kommt auf mich zu: ,Hier ist er ja, hier ist er ja, den ich suche.' Wörtlich! Also, mir rutscht das Herz in die Hose. Da kommt die Bedienung, wimmelt den ab. Ich roch bloß – der war besoffen. Und dann lallte der: ,Ich bin Regisseur, ich dreh 'nen Film, der Mann im Mond, und du machst den Hauptdarsteller.' Unmöglich eigentlich. Nicht zu glauben, dass so etwas passieren kann. Ich hab mich natürlich schnellstens verabschiedet.
Von dort ist es nicht weit nach Neustadt an der Orla. Ich habe mir gedacht: von Neustadt bis Saalfeld, vielleicht kann man da mit dem Zug fahren. Bin an den Bahnhof, da war ein Fußballklub. Hab mir gleich eine Fahrkarte gekauft und bin da zwischen den Zügen. Und dann in Saalfeld: Bahnsperren, bewacht. Polizisten mit Hunden und allem. Ob die nach mir gesucht haben, weiß ich nicht. Es war ja Sperrgebiet. Ich bin mir keineswegs sicher, dass die nach mir gesucht haben, könnte aber sein. Ich mitten zwischen die Typen, mitgegrölt. Die guckten mich an, ich schrie das, was die schrien. Was machen wir dann? Inzwischen Sonntagnachmittag. Ich geh ein bisschen durch Saalfeld und ins Kino. Ich hab mir gedacht: Da kannst du auf der hinteren Bank schlafen. Da zeigen die einen Film über Widerstand in der Nazizeit! Und wie solche Widerstandskämpfer herausgeschmuggelt werden, also deren Flucht.“
Quelle: Zeitzeugeninterview mit Achim Beyer am 11. Oktober 1998, Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur