Abschrift
Sprecher (off):
„Eine Speakers Corner, ein Schwarzes Brett, wo Schüler eigene Artikel zur Diskussion stellen konnten. Zur Parade am DDR-Nationalfeiertag war am Schwarzen Brett der Schule nachzulesen:“
Sprecherin (off):
„Die Panzer rollen in einer Zeit über die Straßen, in der gerade vertrauensbildende Maßnahmen gemeinsame Sicherheit schaffen sollen. Dem internationalen Ansehen der DDR würde ein Verzicht auf die Militärparade guttun.“
Sprecher (off):
„Als Anregung zum Nachdenken hängten die Schüler ein Gedicht ans Schwarze Brett des Speakers Corner, Quelle: Die Volksarmee (Autor: Oberfeldwebel Bernd Anderson).“
Sprecherin (off):
„Du Meine
Ich denke noch an einst,
an sonnigen Tagen,
hab stolz dich
übern Bach getragen.“
Sprecher (off):
„Was anmutet wie das Liebesgedicht eines Soldaten an die Braut, entpuppt sich erst in der letzten Zeile als obszöne Waffenverherrlichung, als Ode an das Schnellfeuergewehr Kalaschnikow.“
Sprecherin (off):
„… und lieg ich bei dir
zur Mondesnacht,
dein Anblick
mich ganz sicher macht.
Ich weiß warum,
ich kenn` dein Wie,
du,
Kalaschnikow-MPi.“
Sprecher (off):
„Als dann aber noch 37 Schüler den Artikel gegen die Militärparade unterschrieben, begannen Schule und der Staat ein Kesseltreiben. Ergebnis: vier Schulverweise.“
Philipp Lengsfeld:
„Ja, das Entscheidende in dem Gespräch war, dass die Atmosphäre sehr gespannt war. Alle Erwachsenen redeten heftig auf mich ein. Ich war zwar … wurde dann immer gefragt, aber wurde dann auch häufig unterbrochen. Der Ton war nicht gerade freundlich. Und eine Frau, die mir nicht vorgestellt wurde, versuchte mich dreimal zu provozieren mit Fragen, also dahingehend, was ich alles an der DDR schlecht finde und so. Auf diesem Niveau versuchte sie mich zu provozieren.“
Interviewer:
„Was wurde denn da konkret vorgeworfen?“
Philipp Lengsfeld:
„Ja, dass ich den Schülern Meinungen aufzwingen wollte, dass das alles genau geplant war, dass eine Gruppe existiert hat und dass die Teilnahme an der Demonstration eine Provokation gewesen wäre.“
Vera Wollenberger (Mutter von Philipp Lengsfeld):
„Es hat vier Wochen gegeben, in denen dieser Fall der Öffentlichkeit praktisch nicht bekannt war. Und die …“
Quelle: Kennzeichen D, 30. November 1988, ZDF