Abschrift
Mit diesen Plakaten für die Abrüstung in der DDR bin ich die ganzen drei Tage zu Fuß bis zum Berliner Stadtrand marschiert. Ich konnte das Plakat frei tragen – selbst noch abends auf dem Weg zum Nachtquartier in der Berliner S-Bahn, wo ich es über meiner Schulter hatte. Ich habe es auch am nächsten Tag getragen, auf der Demonstration durch Berlin, und von dort wieder durch die S-Bahn nach Wittenberg, zur nächsten Station. Keiner hat was dagegen gesagt, dass ich ein Plakat für Abrüstung in der DDR jedermann zeigte: auf den Bahnhöfen, im Zug und überall. Das war vorher undenkbar gewesen.
Vorher sind Leute ins Gefängnis gekommen beziehungsweise wurden nach West-Deutschland abgeschoben. Und so war das eine sehr ermutigende Erfahrung: Es ist möglich, man ist nicht alleine, hat nicht nur die eigene Gruppe, sondern ganz viele Leute aus vielen Orten. Viele treffen sich und sind an derselben Sache dran, treffen sich und veranstalten etwas und unterstützen sich gegenseitig. Es gab viel Austausch untereinander, ständige, tagelange Gespräche. Jetzt konnten wir erleben, wie wir unsere Meinung frei sagen konnten. Endlich mal aus dem kirchlichen Rahmen und über die privaten Freundeskreise hinaus, in die Öffentlichkeit.
Rainer Müller, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de