Abschrift
Die Stasi ahnte schon etwas, weil die Studenten in Jena immer schon oppositionell gegen die DDR eingestellt waren. Die Stasi streckte jetzt ihre Fangarme aus und versuchte, IM [Inoffizielle Mitarbeiter] zu werben, um zu ermitteln, wo der Kern einer Gruppe sein könnte. Zum Verrat kam es dadurch, dass wir einen Theologiestudenten aus Eisenberg aufgenommen hatten. Der war sehr labil, das heißt: Er war nach einigen Semestern von der Kirche aus vom Theologiestudium relegiert worden. Er hatte sich Geld aus dem Klingelbeutel angeeignet, um es zum Trinken zu verwenden. Die Stasi war an ihn herangetreten und hat ihm gesagt: ´Diesen Ausschluss von der Kirche brauchst du nicht so ernst zu nehmen. Wenn du für uns arbeitest, dann setzen wir uns dafür ein, dass du später das Theologiestudium fortsetzen kannst`.
Nach diesem Strohhalm hat er eben gegriffen und entsprechende Informationen geliefert. Diese waren aber nicht so weitreichend. Man wusste jetzt zwar, wer der Kern der Widerstandsgruppe war, wollte aber noch nähere Informationen haben. Daraufhin schleuste man einen IM [Inoffiziellen Mitarbeiter] ein, der unter dem Namen Koch auftrat (sein Stasi-Deckname war ´Löwe`). Er behauptete, er wäre ein westdeutscher Journalist und hätte von unserer Widerstandsgruppe erfahren. Ob er uns helfen könnte, indem er Büromaterial, Kopiergeräte und Papier besorgen könnte, um uns im Widerstandskampf zu unterstützen? Ja, und auf diese Finte – wir waren damals 21, 22 Jahre alt – sind wir dann hereingefallen. Damit brach das Unheil über uns zusammen. Ich möchte aber betonen, dass diese Widerstandsgruppe am längsten in der DDR existiert hat, und zwar fünf Jahre, von 1953 bis 1958.
Joachim Marckstadt, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de