Abschrift
Die Demonstrationen gegen Wahlbetrug waren, wie das Wort ja schon sagt, gegen den Wahlbetrug. Wir hatten ja in Berlin festgestellt, also in ziemlich vielen Wahllokalen, dass die Zahlen schlicht und ergreifend nicht stimmen. Es waren … wenn man sich das heute überlegt, so groß waren die Abweichungen nicht, es waren vielleicht zum Teil 10 Prozent, das war schon sehr viel, aber, Herrgott, also im Endeffekt trotzdem. Ich sag immer, 90 Prozent der DDR-Bevölkerung haben ihre Zettel reingesteckt und sind immer schön mit dem Arsch an die Wand gekommen damit. Und das haben sie selbst 1989 noch gemacht.
Wir haben dann gesagt, erst mal Eingaben schreiben – das hieß damals so, Eingaben schreiben – ans ZK der SED beziehungsweise direkt an Erich Honecker, was wir auch gemacht haben. Und dann ging es so weit, dass bestimmte Kreise, auch um Eppelmann zum Beispiel in der Samariterkirche, direkt Anzeigen erstattet haben. Diese Anzeigen wurden alle beantwortet mit ein und demselben Text: Die Wahl war alles toll und überhaupt und was wollen Sie, so nach dem Motto, und damit ist die Frage beantwortet und Ihre Anzeige wird ad acta gelegt. Und dann haben wir beschlossen, am 7., 17.00 Uhr, Weltzeituhr, mit Trillerpfeifen gegen den Wahlbetrug zu demonstrieren. Also sprich: was dabei rauskommen sollte, dass eine Öffentlichkeitswirksamkeit entsteht. Und das war entscheidend. Es ging nicht mehr darum, irgendwie im stillen Kämmerlein zu sitzen, wo es keiner merkt. Sondern die Leute sollen es merken, dass es da auch Widerspruch gibt. Sie waren ja selber alle … also ein Großteil der DDR-Bevölkerung wusste ja ganz genau, was ist. Sie haben es bloß schlicht und ergreifend nicht draufgehabt, irgendwie mal was zu sagen, geschweige denn öffentlich. Und das war sozusagen der Anstoß.
Es war ja jeden 7., also 7. Juni, Juli, August – weiß ich gar nicht, ob wir es ausfallen lassen haben, ich glaub, da waren wir mal in Pankow in der Gemeinde dort – und 7. September. Es war eigentlich immer dasselbe Schema. Im Endeffekt haben wir da rumgestanden, wenn wir denn überhaupt geschafft haben, auf den Alexanderplatz zu kommen. Das war natürlich weiträumig immer alles schön abgesperrt, und die wussten natürlich, wer da kommt, und wollten natürlich auch genau die Leute dann auch vorher einkaschen. Es hat aber komischerweise bei fast allen nicht funktioniert. Also, sie haben vorher … bei der ersten Wahldemo haben sie die völlig Falschen verhaftet. Also, da haben sie wirklich schon so die bekanntere Oppositionsszene zugeführt und belehrt und gesagt: Also, da und da dürft ihr dann und dann nicht hin. Die wollten da gar nicht hin, die wussten zum Teil gar nicht, dass es überhaupt ist. Die haben es dann auch im Endeffekt erst aus dem Fernsehen erfahren, weil, wir haben es völlig unabhängig von den Älteren im Endeffekt organisiert. Und dann waren wir auf dem Alexanderplatz und dann sind wir meistens auch Punkt 17.00 Uhr verhaftet worden. Es war dann immer … na ja, viel konnte man nicht machen. Also Transparente gab es nicht, das hätte niemals geklappt. Ja, und wenn du deine Trillerpfeife rausgeholt hast, so schnell konntest du die gar nicht in den Mund stecken, da warst du schon eingekreist und wurdest weggetragen. Und dann sind wir in irgendwelche Reisebusse gekommen und sind dann nach Rummelsburg gebracht worden.
Frank Ebert, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de