Alternative Jugendkultur
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Radio Glasnost: Zwei Dresdener Punks berichten über ihre Erfahrungen mit der Polizei
Abschrift
Moderatorin:
„Zu den deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten gehört zweifelsohne die Abneigung der Ordnungsbehörden gegenüber Punks. Ob nun am Kotti` in Kreuzberg oder auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin, ob in Hannover oder Dresden, überall stoßen Punks bestenfalls auf eine, sagen wir mal, eher angewiderte Duldung. Die Ordnungskräfte wissen sich dabei einig mit des Volkes Stimme, sind doch Punks der Inbegriff all dessen, wovor uns unsere Eltern immer gewarnt haben. Und so wundert es eigentlich wenig, dass, seit es Punks gibt, es auch immer Versuche gab, sie zumindest aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.
So zuletzt in Dresden. Dort erklärten die Ordnungsbehörden gleich die ganze Innenstadt zur punkfreien Zone. Zu den Auswirkungen dieses seit einem halben Jahr geltenden Verbots erhielten wir das folgende Interview mit zwei der betroffenen Punks.“Interviewer:
„Wie sehen diese Repressionen gegen euch im Einzelnen aus?“1. Punk:
„Es gibt ziemlich viele Probleme bei uns, besonders eigentlich in Dresden. Ich meine, es ist nirgendwo … ich meine, bin urst viel herumgereist und habe urst viele Leute kennengelernt, aber es war in keiner Stadt echt so wie hier in Dresden, nirgendwo in einer Bezirksstadt, wo es zum Beispiel ein Rummelverbot gibt oder Bahnhofsverbot oder allgemein in Dresden der große Boulevard, die Prager Straße, dass wir eben Verbot haben, da uns darauf zu bewegen. Ich finde, das ist nicht mehr normal, ja? Du wirst angekreidet wegen dem unästhetischen Aussehen. Du bekommst dafür eine Ordnungsstrafe und des Weiteren, ich meine, gibt es auch so einzelne Repressionen, dass eben hier die Lederjacke eingezogen wird. Du hast eben etwas draufstehen, und ich meine, damit ist die weg.“2. Punk:
„Und des Weiteren, weil du jetzt gesagt hast, du willst es konkret wissen: Zum Beispiel war ich bei einer Fete. Da haben wir Geburtstag gefeiert bei meinem Freund in der Wohnung, und da haben eben die Leute aus der Straße … die sind darauf aufmerksam geworden – das war nachmittags, im Sommer, 18 Uhr –, dass wir laute Musik haben. Und 18 Uhr ist noch keine Zeit, wo man auf Ruhestörung irgendwie zu achten hat, wo man die zu unterbinden hat. 18 Uhr, das ist kurz nach dem Nachmittag. Da kamen drei Polizistenwagen, drei Tonis, an und warteten unten auf der Straße, stellten sich provokativ hin. Wir haben natürlich sofort die Musik leiser gemacht, weil wir nicht darauf aus waren, mit denen Ärger zu kriegen. Trotzdem kamen die nach einer halben Stunde, nachdem die Musik ruhig war, so gegen 18.30 Uhr, hoch, haben geklingelt. Und als die Tür aufgemacht wurde, sind sie reingestürmt und haben uns aus der Wohnung rausgeprügelt.“Interviewer:
„Wie ist das mit den Prügeleien gewesen? Seid ihr gleich direkt mit Gummiknüppeln angegangen worden, oder seid ihr aufgefordert, die Wohnung zu räumen?“2. Punk:
„Na ja, es war so: Es wurde geklingelt, die Tür wurde aufgemacht, und daraufhin haben die Polizisten die Tür aufgetreten mit Fußtritten und haben uns aufgefordert, den Ausweis zu holen und so – was ja das Übliche ist, dass die Ausweise kontrolliert werden –, uns aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, allerdings eben auch zum Teil handgreiflich. Sie haben uns, muss ich ehrlich sagen, nun nicht gleich traktiert mit irgendwelchen Schlägen, dass sie blindlings auf uns losgeschlagen haben, sondern sie haben uns zum Beispiel aus der Küche rausgezerrt, wo welche am Kochtopf standen. So wars wirklich. Die haben gerade das Abendbrot zubereitet. Na ja, da wurden wir alle aufgefordert, die Feier zu verlassen und nach Hause zu gehen. Obwohl, also es war keine rechtliche Grundlage vorhanden. Der Wohnungsbesitzer war auch dagegen, weil wir ja seine Gäste waren. Er war nicht damit einverstanden, aber er konnte nicht mehr als seine Meinung sagen. Ein Einziger von uns, der wurde allerdings drinnen zusammengeschlagen im Korridor, als wir alle draußen standen. Er hat dem Polizisten einen kleinen Anlass gegeben, indem er sagte: Also, ich hab vor euch keine Angst. Ihr könnt mich mal …` und so weiter, aber nicht handgreiflich geworden ist. Und daraufhin haben sie ihn dann vermöbelt und abgeführt. Noch vier Wochen hat er in U-Haft gesessen, und ohne dass dann irgendetwas war. Unter irgendeiner Androhung von einer Verhandlung oder so ist er dann wieder rausgesetzt worden auf freien Fuß.“Interviewer:
„Und wie läuft das jetzt bei euch, wenn ihr euch in der Stadt bewegt, direkt ab?“1. Punk:
„Da kommt dann irgendeine Streife. Du begegnest dort `ner Streife. Die halten dich an und verlangen den Ausweis von dir. Die schreiben sich das auf, danach geben sie dir den Ausweis wieder. Na ja, und dann: Entweder du wirst informiert, gegen dich läuft ein Ordnungsstrafverfahren, oder du wirst nicht informiert darüber. Du bekommst sonst ganz plötzlich `nen Brief. Ich meine, es ist allerdings auch schon vorgekommen, dass … (?). Und wenn du dann gefragt hast, warum, dann sagen sie dir eben, wegen unästhetischem Aussehen oder ganz einfach nur wegen irgendwelchem Verhalten, was du gar nicht getan hast, ja? Wegen irgendwelchen, was soll ich denn jetzt sagen … für ruhestörenden Lärm, was du nie gemacht hast. Ich meine, ich bin zum Beispiel selber über die Prager Straße gelaufen und bin dann drüben auf der anderen Seite wieder rausgekommen. Da bin ich auch von einer Streife angehalten worden. Die haben mich davor absolut nicht informiert. Die haben mich mitgenommen in das Revier in der Prager Straße und haben dann da … da sollte ich urst eine Belehrung unterschreiben über dieses, also dass ich die Prager Straße nicht mehr zu betreten habe. Und kurze Zeit später darauf bekam ich dann einen Brief mit einem Ordnungsstrafverfahren, indem ich ein unanständiges Verhalten auf dieser Straße gezeigt hätte sowie ein unästhetisches Aussehen hätte. Und wie es dann eben draufsteht: Die Art und der Grad Ihrer Schuld erfordern diese Ordnungsstrafmaßnahme.`“Interviewer:
„Und wie ist die Höhe dieser Ordnungsstrafe bis jetzt?“1. Punk:
„Also, das beläuft sich zwischen 200 und 450 Mark. Ich meine, ich selber habe jetzt auch schon zwei Ordnungsstrafverfahren von 200 und 300 Mark insgesamt. Und das sind insgesamt 500 Mark. Ich weiß selber nicht, wovon ich das bezahlen soll, aber …“Interviewer:
„Ich habe von einem Typ gehört, bei dem wäre das mit dem Innenstadtverbot, was du vorhin gesagt hast, ganz extrem ausgefallen. Kannst du mir dazu was erzählen?“1. Punk:
„Ja, ich meine, ich kenne den selber. Also, das war so: Er wollte früh zum Arzt fahren und mit der Straßenbahn durch die Innenstadt. Und da kam ein Bulle da an und ist urst in die Straßenbahn rein und hat ihm urst gesagt, das Innenstadtverbot streckt sich auch auf die öffentlichen Verkehrsmittel aus und ob er nicht zum Arzt außen herum um Dresden fahren könnte.“2. Punk:
„Ich würd` noch hinzufügen, ja, das mit diesen Verboten, was wir überhaupt so kriegen, was wir nicht betreten dürfen, dass sich das auch auf öffentliche Gebiete vor allem beschränkt, äh, erstreckt und dass eben das darauf hinausläuft, dass wir uns nirgendwo sehen lassen dürfen, ja? Zum Beispiel gibt es hier ein Striezelmarkt-Verbot, ein Rummelverbot und Bahnhofsverbot. Oder Prager Straße, was eben Zentrum ist für uns, das wir gar nicht betreten dürfen, dass uns niemand sieht, dass eben unser Dasein überhaupt unterdrückt wird. Und ich meine, da brauchst du gar nichts zu machen, da bist du halt bloß dort, und schon – und buff! – und Ordnungsstrafe und dann auch doppelt bestraft werden. Also, du kriegst einmal von dem, der für das Gebiet zuständig ist, und dann vom Ministerium des Inneren überhaupt eine Ordnungsstrafe dafür zugezogen. Also, überhaupt so das gesellschaftliche Leben, das ist dann für irgendwelche, die dann … Punk und so, das wird total unterdrückt. Also, wenn zum Beispiel einer ganz normal seiner Lehre nachgeht, da wird eben erklärt, also jetzt ist aus hier und nichts mit Lehre. Und auch wegen unserer Klamotten, dass eben auch Bullen kommen und sagen: Hier, deine Jacke ist jetzt eingezogen`, und ohne Quittung. Die ist einfach weg. Und dann noch Drohungen. Wenn du danach fragst, dann geht es dir noch viel schlechter.“Interviewer:
„Was würdet ihr euch hier in Dresden als Gegenpol zu diesen ganzen staatlichen Repressionen wünschen?“1. Punk:
„Ja, wünschen tun wir uns viel. Mit der Realität wird das doch nicht übereinstimmen. Ich wünsche mir, dass die Leute toleranter sind. Das ist zwar abgedroschen, aber die sollen nicht nur auf das Äußere gucken. Die sollen vielleicht auch mal in Erfahrung bringen, was wir überhaupt erreichen oder was unsere Lebensideale sind. Und wir sind nun mal anders, und wir wollen unser eigenes Leben führen, und wir wollen da in Ruhe gelassen werden. Und wir wollen, dass wir hier nicht diskriminiert werden. Die ganzen Bürger, die lassen ihren Frust auf uns ab, weil sie mit ihrem eigenen Leben nicht zufrieden sind. Und da wissen sie nun, dass wir sowieso von behördlicher Seite, von staatlicher Seite die Letzten sind. Und da haken die braven Bürger dann auch noch nach, indem sie uns leider nicht unterstützen oder keine Sympathie für uns hegen, sondern im Gegenteil genau wie die Behörden auch gegen uns auftreten und uns auch diskriminieren. Das sind nicht immer bloß die Behörden, das sind leider auch die Bürger unter uns. Und von denen würde ich mir wünschen, dass sie doch mal Toleranz üben würden.“Quelle: Radio Glasnost, November 1988
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