Einige ostdeutsche Künstler kritisieren in einem offenen Brief die Ausbürgerung Biermanns. Doris Liebermann lässt sich den Text von Biermanns Freund Jürgen Fuchs am Telefon diktieren und vervielfältigt ihn auf der Schreibmaschine. Das Kohlepapier, das sie zur Vervielfältigung benutzt, wirft sie in den Papierkorb. Die Staatssicherheit wertet es als Beweismittel für staatsfeindliche Hetze. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_14898 Abschrift
Schüler, Studenten, Lehrlinge und junge Arbeiter aus Jena kritisieren mit ihrer Unterschrift die Ausbürgerung des Liedermachers. Fast alle werden zum Verhör geholt. Mehrere bleiben viele Monate in Haft. Quelle: BStU, MfS, Ast. Gera 740/77, Bd. 3
Doris Liebermann (hinten stehend) und Thomas Auerbach unterstützen fortan vom Westen aus Oppositionelle in der DDR. Da sie nicht in die DDR einreisen dürfen, treffen sie sich mit ihren Jenenser Freunden in der CSSR oder in Polen, wie beispielsweise im August 1980 in den Masuren. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_15275
"Ich versuche, in der Wahrheit zu leben, und stoße auf viele Lügen." Doris Liebermann in den 1970er Jahren. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_25540
Doris Liebermann, 4. November 2004. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Gunnar Uhlenhut
Jena, Herbst 1976. Am 18. November sprechen die Mitglieder der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte über die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Die Jugendlichen sind sich einig, dass man irgendetwas gegen diese staatliche Willkür tun muss. Wolf Biermann ist für viele von ihnen ein wichtiges Sprachrohr: Er singt und schreibt, was die Jugendlichen denken, fühlen und hören wollen. Insgesamt unterschreiben 58 junge Jenenser die Petition der Berliner Schriftsteller (Offener Brief), die gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns Protest erheben.
Am 17. November 1976 telefoniert die 22-jährige Doris Liebermann mit dem Schriftsteller Jürgen Fuchs und lässt sich von ihm den Text der Petition diktieren. Jürgen Fuchs wohnt zusammen mit Frau und Tochter bei Robert Havemann in Grünheide bei Berlin. Doris Liebermann tippt den Text auf ihrer Schreibmaschine ab und fertigt mehrere Durchschriften an. Das Kohlepapier, das für die Durchschriften nötig ist, wirft sie in den Papierkorb. Am nächsten Morgen wird sie verhaftet, denn Stasi-Leute finden das Kohlepapier. Es folgt ein 48 Stunden andauerndes Verhör.
Die Stasi will offenbar von ihr hören, dass Robert Havemann der „Kopf der Organisation“ ist. Der Haftbefehl gegen Doris Liebermann wird begründet mit „Beihilfe zu staatsfeindlichen Handlungen“. Trotzdem wird sie freigelassen, weil, wie sie heute vermutet, die Kirche sich für sie und andere Jenenser Theologiestudenten eingesetzt hatte. Nach ihrer Entlassung unterstützt sie andere Inhaftierte, unter ihnen auch ihren Freund, den Sozialdiakon Thomas Auerbach.
Im Frühsommer 1977 teilt ihr der Rechtsanwalt Wolfgang Schnur, der inoffizieller Mitarbeiter der Stasi ist, mit, dass Thomas Auerbach seiner Ausreise zugestimmt habe und dass sie als Angehörige ebenfalls ausreisen dürfe. Unter diesem Druck stimmt sie schließlich zu. Am 2. September 1977 werden Thomas Auerbach, Kerstin Graf, Wolfgang Hinkeldey, Marian Kirstein, Gerd Lehmann, Bernd Markowsky und Walfred Meier nach West-Berlin ausgewiesen. Am 17. Dezember 1977 folgen die Angehörigen, unter ihnen auch Doris Liebermann. Zusammen mit den anderen ausgebürgerten Jenensern versucht sie den Kontakt zu den alten Freunden aufrechtzuerhalten: Sie treffen sich in Polen und in der Tschechoslowakei. 1982 erhält sie jedoch auch in die CSSR Einreiseverbot.
Biografische Angaben zu Doris Liebermann finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Doris Liebermann“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Februar 2023, www.jugendopposition.de/145515
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Es gab eine Junge Gemeinde, JG, und eine Evangelische Studentengemeinde, ESG. Und von der jungen Gemeinde hieß es immer, dass sie politischer ist, weil sie eben mehr an der Basis arbeitete, ja? Also mehr auch Lehrlinge hatte und nicht Studenten. Studenten waren ja eher immer auch in dieser Zwickmühle, dass, wenn sie zu laut werden, zu offen sich äußern, dass sie exmatrikuliert werden. Und die Lehrlinge hatten eigentlich weniger Angst.
Es gab einen festen Tag in der Woche, ich glaube immer Donnerstag, und es gab eine sogenannte Vorbereitungsgruppe, Vorbereitungsteam, VT abgekürzt, das sich immer traf und überlegte, was machen wir. Also da gab es ganz unterschiedliche Themen, zum Beispiel eben, wenn junge Männer zur Armee sollten, also wie lehne ich den Dienst mit der Waffe ab, also wie werde ich Bausoldat zum Beispiel, ja? Oder auch Lesung von Texten von Christa Wolf, Diskussionen über die Bibel, über bestimmte Bibelstellen, auch Musikabende, also sehr unterschiedliche Themen.
Doris Liebermann, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de