Auch in der DDR gibt es eine Aussteigerszene: Sie nennen sich Blueser, Tramper oder Kunden. Zu ihrem Outfit gehören lange Haare, üppige Bärte, Bluejeans, Parka und Jesuslatschen. Ihre Idole sind die Größen der westlichen Blues- und Rockszene: Jimi Hendrix, The Doors oder Bob Dylan. An den Wochenenden stehen sie an den Straßen, halten den Daumen in den Wind und reisen den angesagten Bands hinterher. Die Schüler, Lehrlinge, Facharbeiter und Studenten versammeln sich allwöchentlich zu Konzerten in den Dorfsälen der Provinz. Ihr Ziel: ehrliche, elektrisierende, handgemachte Blues- und Rockmusik. Bands wie Engerling, Freygang, Monokel oder Jürgen Kehrt sind die Lieblinge der Szene. Die Texte sind deftig und ungeschminkt.
Wir wollen frei sein!
Die Hippies der DDR sind überall dort, wo was los ist: auf Volksfesten, Jahrmärkten und den alljährlichen Pressefesten der verschiedenen SED-Zeitungen. Im Sommer bevölkern sie die Schwarzbierkneipen in Prag ebenso wie die Strände des Balatons oder die Küste des Schwarzen Meers. Legendär sind das Bluesfestival in Wandersleben, der Zwiebelmarkt in Weimar und der Fasching in Wasungen.
Die jungen Leute wollen ihrem Alltag entfliehen, fern sein von der Bevormundung der Eltern, Lehrmeister oder Parteisekretäre. Einig sind sie sich in der Ablehnung der Enge und Spießigkeit des DDR-Alltags. Ihr unangepasstes Äußeres tragen sie selbstbewusst und provokativ zur Schau. Damit stoßen sie nicht nur bei den Staatsorganen auf Ablehnung. Auch viele Bürger fühlen sich durch die langen Haare, die Trinkgelage und die abgerissene Kleidung abgestoßen.
Für die Staatssicherheit sind diese „Gammler“ einfach nur vorsätzliche Feinde der DDR. Und so kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen den jungen Leuten und der Volkspolizei beziehungsweise Staatssicherheit.
Wir machen, was wir wollen!
Die heftigsten Zusammenstöße zwischen den jugendlichen Trampern und der Staatsmacht ereignen sich bei den Feierlichkeiten zur Tausend-Jahr-Feier der Stadt Altenburg im Juli 1976. Etwa 2.500 langhaarige Kuttenträger kommen zum Stadtjubiläum in die Thüringische Kleinstadt.
Auf einen solchen Ansturm sind weder die Stadt noch die Ordnungshüter eingestellt. Die Jugendlichen lagern zu Hunderten in den Stadtparks, baden nackt im Schlossteich und schlafen öffentlich ihren Rausch aus. Der Zusammenprall mit Vopo und Stasi ist vorprogrammiert.
Als einige Jugendliche die Polizisten als „Bullen“ beschimpfen und Parolen wie „Wir wollen frei sein!“ oder „Wir machen, was wir wollen!“ rufen, eskaliert die Situation. Am Ende werden 103 Jugendliche verhaftet; sechs von ihnen landen mehrere Monate hinter Gittern.
Zitierempfehlung: „Hippies in der DDR“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145450
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Ich bin das erste Mal mit 15 oder 14 von zu Hause abgerückt und habe mich an die Straße gestellt. Wie kam das? Man hat es einfach von irgendjemandem gehört. Der hat gesagt: Ich fahr heut dorthin, ich war schon mal dort, da gibt es auch solche Leute wie wir, und da trifft man sich`. Meistens war das mit Musik verbunden. Es gab ja auch diese Musikkultur, die etwas anders war, die zum Teil auch Schwierigkeiten hatte. Dort hat man sich getroffen, hat nächtelang gesprochen. Irgendwann hat es sich entwickelt, dass es in jeder Stadt Leute gab, die eine Wohnung hatten – oder sie zur Verfügung stellten.
Die Adressen wurden weitergereicht. Man hatte ein Buch mit Adressen, zu denen man hinfahren konnte, wo man überall jemanden hatte, den man ansprechen konnte, wo man übernachten konnte. Das war eine Subkultur.
Andreas Friedrich, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de