Zu den Zielen der KgU gehören die Unterstützung aller, die sich mit politischen Mitteln gegen das Terrorsystem in der DDR auflehnen sowie der Aufbau eines Suchdienstes. Der wird eingerichtet, um das Schicksal der in der SBZ verhafteten oder verschleppten Menschen aufzuklären. In der Kartei des Suchdienstes befinden sich 1952 etwa 100.000 Einträge. Quelle: Heft der KgU, Heft 3, Nov. 1952, S. 37
Aus den Haftanstalten Waldheim und Zwickau werden durch die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit und das Befreiungskomitee für die Opfer totalitärer Willkür im Juli 1952 Jürgen Poppitz, Ekkehard Schumann und Horst Schnabel (v.l.n.r.) befreit. Quelle: Heft der KgU, Heft 3, Nov. 1952, S. 16
Die KgU verwendet in ihrem Einsatz gegen die SED-Diktatur ganz unterschiedliche Methoden. Sie verbreitet Flugblätter, gefälschte Tageszeitungen, gefälschte Briefmarken, Aufklärungsbroschüren und Dokumentationen über das SED-Unrecht. Quelle: Privat-Archiv Achim Beyer Abschrift
Die Flugblätter und Schriften der KgU werden in West-Berlin hergestellt und gestreut. Anschließend werden sie über die Sektorengrenze geschmuggelt. Ein Netz von DDR-Kontaktleuten sorgt für die weitere Verteilung. Viele Flugblätter gelangen auch mittels Heißluftballons in die DDR. Quelle: Heft der KgU, Heft 2, Juni 1952, S. 37 Abschrift
Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit registriert Namen von Spitzeln und Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit. Diese Namenslisten werden als Flugblätter illegal in der DDR verteilt und teilweise auch über den RIAS öffentlich bekannt gegeben. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd. 2, Bl. 268 Abschrift
Auch die Widerstandsgruppe der Werdauer Oberschüler hält Kontakt zur KgU. Die Schüler erhalten nicht nur die nötige Technik zur Vervielfältigung von Flugschriften, sie verteilen auch Flugblätter der KgU in Werdau und Umgebung. Im Bild: ein Flugblatt der KgU, das zu Beginn der 1950er Jahre in der DDR verteilt wird. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd. 2, Bl. 272
Natürlich alles illegal: Die von der KgU hergestellten Flugblätter werden Anfang der 1950er Jahre in der DDR verteilt. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd. 2, Bl. 291
Natürlich alles illegal: Die von der KgU hergestellten Flugblätter werden Anfang der 1950er Jahre in der DDR verteilt. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd. 2, Bl. 291
Natürlich alles illegal: Die von der KgU hergestellten Flugblätter werden Anfang der 1950er Jahre in der DDR verteilt. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd. 2, Bl. 281
Natürlich alles illegal: Die von der KgU hergestellten Flugblätter werden Anfang der 1950er Jahre in der DDR verteilt. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Bd.2, Bl. 184f.
Die KgU gießt Öl ins Feuer: Mit sogenannten administrativen Störmaßnahmen versucht sie, die Wirtschaft der DDR zu desorganisieren. Sie verschickt gefälschte amtliche Verfügungen, Bestellungen oder Einladungen. Sie verbreitet gefälschte Lebensmittelmarken in hoher Auflage. Damit will die KgU die ohnehin prekäre Versorgungslage in der DDR zuspitzen und die Ablehnung des Systems bei den Bürgern verstärken. Quelle: BStU, MfS, AU 164/55, Bd.20 Abschrift
Gefälschte Briefmarken mit propagandistischen Aufdrucken, die die KgU zu Beginn der 1950er Jahre in der DDR verteilt. Quelle: BStU, MfS, AU 164/55, Bd.20
Um den blutig niedergeschlagenen Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der Erinnerung der DDR-Bevölkerung wachzuhalten, verbreitet die KgU diese gefälschten Briefmarken in der DDR. Quelle: BStU, MfS, AU 164/55, Bd.20
Sonderzug nach Pankow: Nach dem 17. Juni 1953 bringt die KgU dieses gefälschte Bahnticket in Umlauf. Die Lubjanka ist das berühmt-berüchtigte Gebäude, in dem die Zentrale der russischen Geheimpolizei seit 1920 untergebracht ist. Außerdem befinden sich dort ihr zentrales Gefängnis und Archiv. Pankow ist ein Synonym für die SED-Diktatur: Hier, am Majakowskiring, wohnen in den 1950er Jahren nahezu die gesamte SED-Führung und die Regierungsmitglieder der DDR. In Karlshorst befindet sich das Hauptquartier der sowjetischen Besatzungsmacht. Quelle: BStU, MfS, AS 72/55, Band 1, S. 236
Ein Staatschef schwitzt: Das Satiremagazin Tarantel erscheint zwischen 1950 und Ende 1961 in West-Berlin und wird in der DDR illegal verbreitet. Im Bild: das Titelblatt einer Sonderausgabe vom Februar 1957. Walter Ulbricht hält darauf eine explosive Kette in der Hand, die die kommunistische Nachkriegsgeschichte charakterisiert. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)
In den 1950er Jahren kommt es zu etlichen großen Schauprozessen am Obersten Gericht der DDR. Vom 23. bis 25. Mai 1952 wird ein Prozess gegen Kontaktleute der KgU inszeniert – geleitet von DDR-Justizministerin Hilde Benjamin. Sechs Angeklagte erhalten lebenslängliche oder sehr hohe Zuchthausstrafen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_RDA_00843
Auch dem Weimarer Lehrer Gerhard Benkowitz, Kontakmann der KgU, wird vorgeworfen, Spionage betrieben und die Sprengung einer Brücke geplant zu haben. Er wird 1955 vom Obersten Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Bild: eine Propagandaausstellung des MfS über die KgU. Quelle: BStU, MfS, MfS HA IX/Fo/1014, Bild Abschrift
Die KgU verteilt Anfang der 1950er Jahre kleine Handzettel in der DDR, auf denen die DDR-Justizministerin Hilde Benjamin als Mörderin bezeichnet wird. Hilde Benjamin ist von 1949 bis 1953 Vizepräsidentin des Obersten Gerichts. Als Vorsitzende Richterin ist sie auch an den Prozessen gegen KgU-Mitglieder beteiligt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)
"W heisst Widerstand!" Die W-Aktion wird von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit inspiriert und Unterstützt. Mitglieder der Wiederstandsgruppe Deutscher Patrioten verteilen Flugblätter mit diesem Slogan in der DDR. Am 25. Februar 1953 werden sieben Mitglieder der Widerstandsgruppe vom Bezirksgericht Potsdam zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Quelle: BStU, MfS, AU 37/52 EV Bd. 2
F steht für Freiheit: 1949 beginnt die KgU ihre F-Kampagne. Der Buchstabe soll überall in der sowjetischen Zone an Häuserwände geschrieben oder auf Flugblättern verbreitet werden. Quelle: Bundesarchiv / Stasi-Unterlagen-Archiv
Mit dem Heißluftballon gegen das himmelschreiende Unrecht
In der sowjetischen Zone und in Ost-Berlin sind gezielte oder willkürliche Festnahmen durch die Geheimdienste der Besatzungsmacht an der Tagesordnung. In der Regel erfahren die Familien nicht, wieso ihre Angehörigen plötzlich verschwunden sind. Sind sie verhaftet oder verurteilt worden? Wie lautet das Urteil? In welchem Gefängnis sind sie? In zahllosen Fällen ist völlig unklar, ob die Festgenommenen nach Russland transportiert wurden oder ob sie überhaupt noch am Leben sind.
1948 entschließen sich Rainer Hildebrandt und mehrere Vertreter aus Jugendverbänden im amerikanischen Sektor von Berlin, unter dem Namen Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) einen Suchdienst einzurichten. Sie nehmen alle Suchanfragen und Hinweise über den Verbleib von Verhafteten in eine Kartei auf, die schon bald 20.000 Namen enthält. 1952 sind es bereits 100.000. Die KgU registriert auch Namen von Spitzeln und Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die im Zusammenhang mit den Verhaftungen und Verschleppungen auftauchen. Teilweise werden diese Namen über den RIAS öffentlich bekannt gegeben.
Das Büro der KgU ist zunächst in der Wohnung von Rainer Hildebrandt eingerichtet. Die Aktivitäten finden ein positives Echo, vor allem bei den Bewohnern der Sowjetischen Besatzungszone. Die zunächst ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter sind meist ehemalige Häftlinge. Die Bedingungen sind dürftig: Sie arbeiten mit einer einzigen Schreibmaschine, und ihre Kartei ist handgeschrieben. Rainer Hildebrandt bittet deshalb die westlichen Besatzungsmächte um Unterstützung. Aus amerikanischen Geheimdienstquellen erhält die KgU fortan regelmäßig einen größeren Geldbetrag. Im Gegenzug liefert sie Informationen aus der DDR.
1949 beginnt die KgU ihre F-Kampagne. Der Buchstabe F steht für Freiheit. Er soll symbolisch überall in der sowjetischen Zone an Häuserwände geschrieben oder auf Flugblättern verbreitet werden. Ein weiteres Mittel des Widerstands sind sogenannte administrative Störungen. Zum Beispiel werden gefälschte amtliche Verfügungen, Bestellungen industrieller Güter oder Einladungen verschickt. Die KgU verbreitet falsche Lebensmittelkarten und Briefmarken mit propagandistischen Aufdrucken. Außerdem veröffentlicht sie Propagandamaterial. Die im KgU-Umfeld produzierte satirische Zeitschrift Tarantel ergeht sich in beißendem Hohn über die Verhältnisse im Osten. Die Materialien werden in West-Berlin verteilt – teils über die Sektorengrenze geschmuggelt und teils mit Heißluftballons in die DDR befördert.
Unter dem Eindruck des Kalten Krieges greifen einzelne KgU-Mitarbeiter auch zu militanten Formen des Widerstands. 1951 verübt ein V-Mann der KgU einen Brandanschlag auf eine hölzerne Autobahnbrücke. Der in Schauprozessen erhobene Vorwurf, die KgU-Agenten hätten auch die Sprengung einer Eisenbahnbrücke auf der Strecke Berlin – Moskau sowie die Vergiftung von Trinkwasser geplant, erweist sich nach heutigem Kenntnisstand als Propagandagespinst. Über die tatsächlichen militanten Aktionen kommt es innerhalb der KgU zu schweren Auseinandersetzungen. Rainer Hildebrandt will am gewaltlosen Widerstand festhalten und verlässt die Widerstandsgruppe 1952. Dem MfS gelingt es, den KgU-Apparat systematisch zu unterwandern. Infolgedessen werden mehrere hundert Beschuldigte verhaftet und verurteilt, darunter einige zum Tode.
Die SED schlachtet Aktionen der KgU propagandistisch aus und erfindet zusätzlich geplante Terroraktionen. Auch wenn nicht alles geglaubt wird, was die SED verbreitet, schwindet doch die Unterstützung in der westlichen Öffentlichkeit. Der Vorwurf wird laut, dass junge Menschen leichtfertig zu abenteuerlichen Aktionen verleitet würden. 1959 stellt die KgU ihre Arbeit endgültig ein.
Zitierempfehlung: „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145427
Zum Anschauen des Videos benötigen Sie Javascript oder Flash
„Dieser Schulleiter sprach häufig davon: ,Man muss gegen eine Diktatur etwas unternehmen', und wir haben das damals gemacht. Und dann gab es ja in der DDR einen Tag der jungen Widerstandskämpfer. Der 23. Februar eines jeden Jahres war Tag der Hinrichtung der Geschwister Scholl. Und ich war der Schulungsleiter. Da kam der Schulleiter auf mich zu und sagte: ,Achim, hör zu, du hältst einen Vortrag über die Geschwister Scholl zum Tag der jungen Widerstandskämpfer vor der ganzen Schule.' Na ja, und ich sagte: ,Ich habe kein Material dazu.' Dann gab er mir aus irgendwelchen Broschüren die Texte der Flugblätter der Geschwister Scholl. Das Flugblatt Nummer sechs – die sind von den Scholls durchnummeriert gewesen – das las ich. Das war wie automatisch bei mir im Kopf: NSDAP gegen SED ausgetauscht, HJ gegen FDJ, GESTAPO gegen STASI, die gerade gegründet worden war. Der einzige Unterschied: Es war kein Krieg mehr. Aber dort war von weltanschaulicher Schulung die Rede, so hieß das während der Nazizeit, und von anderen Dingen. Das war eine ideologische Schulung, die wir inzwischen voll auf uns einwirken lassen mussten. Diskutieren war da nicht mehr. All das kam zusammen, und dann kam bei mehreren von uns die Idee auf. Das war in dieser Zeit einfach altersmäßig und umständemäßig bedingt. Diskutieren können wir nicht, nur im kleinsten Kreis. Ich weiß nicht, ob irgendwo auch noch jemand mal was gehört hat, es sind Flugblätter verteilt worden oder so. Mag sein, an die Details erinnert man sich nur zum Teil. Auf jeden Fall: Wir müssen auch was tun! Das war plötzlich unsere Auffassung.
Da gab's einen harten Kern, der begann, die ersten Flugblätter herzustellen und eine Gruppe aufzuziehen. Das zog weitere Kreise. Die ersten Flugblätter wurden ganz primitiv mit einem Handdruckkasten hergestellt. Die Erinnerung daran ist eher schwach, aber es sind etwa 4.000 Blatt Akten gefunden worden, die sich mit dem Prozess und den damit verbundenen Umständen beschäftigen. Da steht es minutiös drin: Am so und so Vielten wurden in Werdau in der und der Straße so und so viele Flugblätter gefunden, mit folgendem Text. Größe so und so, so und so viel mal so und so viel Zentimeter, die Farbe, alles ist genau beschrieben. Die ersten Flugblätter sind zwar nicht erhalten, aber die Texte. Das Erste, das wir gemacht hatten, das war vor der Volkskammerwahl 1950.
Das hatte so in etwa den Text: .“
Quelle: Zeitzeugeninterview mit Achim Beyer am 11. Oktober 1998, Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur