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Schauprozesse

Gerichtsverhandlungen, die nach dramaturgischen Regeln inszeniert und über Medien (Film, Radio, Presse) vermittelt werden. Derartige Prozesse finden in der Sowjetunion ab 1920 statt. Auch der Nationalsozialismus bedient sich dieses politischen Instruments. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Schauprozesse in allen kommunistischen Staaten inszeniert. Ihr Ziel ist nicht die Suche nach Gerechtigkeit und Bestrafung des Täters, sondern die öffentliche Bloßstellung und exemplarische Aburteilung politischer Gegner. Opfer sind – je nach den tagespolitischen Bedürfnissen – kleine und große Gegner des politischen Regimes, hohe politische Funktionäre, bekannte Intellektuelle, kirchliche Würdeträger oder wirtschaftliche Führungskräfte. Schauprozesse sollen einschüchtern und ein mögliches Verständnis für den Verurteilten oder eine Solidarisierung mit ihm verhindern. Derartige Inszenierungen haben nur die erwünschte Wirkung, wenn die Angeklagten sich entsprechend dem vorgefertigten Drehbuch verhalten: Sie müssen sich reumütig zeigen und die ihnen vorgeworfenen Verbrechen zum richtigen Zeitpunkt gestehen. Zu diesem Zweck muss der Angeklagte zum gefügigen Werkzeug gemacht werden. Viele Geständnisse werden daher unter Folter erpresst, andere durch Täuschung des Angeklagten erreicht.
Prozesse dieser Art enden, unabhängig vom Tatvorwurf, immer mit einem Schuldspruch, der entweder hohe Haftstrafen oder die Hinrichtung zur Folge hat. Die offen zur Schau gestellte Willkür gehört zur Methode. Sie soll den Eindruck erwecken, dass jeder von dieser unbarmherzigen, unberechenbaren Gesetzesmaschinerie getroffen werden kann. Das Ziel: Jeder soll sich möglichst angepasst verhalten. In der DDR finden vor allem in den 1950er Jahren Schauprozesse statt, nach dem Mauerbau vor allem gegen Fluchthelfer. Zuweilen werden sie – wie in Osteuropa – in Theatern, großen Betriebskantinen oder öffentlichen Räumen aufgeführt, die Platz für viele Hundert Zuschauer bieten.


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