Abschrift
Die Staatssicherheit hat ab und zu Leute vernommen, auch mich ab und an. Irgendwann mich nicht mehr, sondern Leute, die ganz frisch in die Gruppe dazugekommen sind. Könnte unter Umständen bedeuten, dass sie dachten, sie hätten keine Chance, aus mir was rauszukriegen. Da haben sie sich eben Anfänger rausgepickt. Ich weiß inzwischen, dass unsere Wohnung abgehört wurde. Das haben wir aus den Akten entnommen. Und dass sie uns teilweise minutiös überwacht haben. Was schon ganz witzig ist, weil die in die Akten geschrieben haben, dass wir Bretter gekauft haben, um ein Hochbett zu bauen oder so ein Zeug.
Wenn wir Aktionen geplant haben, wo wir genau wussten, dass sie richtig, richtig verboten sind, haben wir nicht in der Wohnung darüber gesprochen. Und nur mit Leuten, wo wir uns ganz sicher waren, dass das keine Spitzel sind. Es gab auch, wie ich aus meinen Akten hinterher entnehmen konnte, nie einen Fall, wo so was mal schief gegangen wäre. Das Gefühl: Der ist sauber, das stimmte offensichtlich immer. Roman, mein Ex-Mann und Vater meiner Kinder, Roman und ich hatten die Abmachung, dass bei wirklich verbotenen Aktionen immer nur einer von uns mitmacht. Damit, wenn es doch schief geht und einer in den Knast muss, einer bei den Kindern bleiben kann. Und wir hatten ausgemacht, wenn die Knastzeit länger als zwei Jahre ist, dass wir einen Ausreiseantrag stellen. Zwei Jahre, haben wir gedacht, trauen wir uns zu, zu sitzen. Länger, haben wir gedacht: nee. Dann halt doch in den Westen, was wir ja eigentlich nie wollten.
Johanna Kalex, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de