Abschrift
Meine Eltern sind Bürgertum, würde ich sagen. Die waren nie in der Partei, aber ich würde nicht behaupten, dass ich als Kind politisch geprägt wurde. Meine Familie ist mehr humanistisch. Hass gegen Krieg und Gewalt, das wurde mir als Wert schon vermittelt. Aber regelrecht eine politische Prägung haben sie mir nicht gegeben. Meine Eltern sind überhaupt nicht religiös. Ich habe mich allerdings mit 14 taufen lassen. Und zwar in der Jungen Gemeinde. Das war auch eher ein Akt der Opposition. Zur Jungen Gemeinde bin ich durch eine Freundin gekommen. Die war in meiner Klasse und hat erzählt, dass da ein ganz fetziger Pfarrer ist, der Jazz auf der Orgel spielt und Jesuslatschen unterm Talar trägt und lange Haare hat. Da bin ich mitgegangen, und das war schön da.
Bei der Jungen Gemeinde haben wir unter diesem Pfarrer Zeitthemen besprochen. Der hat Themenvorschläge gemacht und wir haben Diskussionsabende gehabt – was man sonst mit 15, 16 nirgendwo besprechen konnte. Alles Mögliche, nicht nur politische Sachen. Ich kann mich daran erinnern, dass der uns auch verschiedene andere Religionen vorgestellt hat und wir darüber diskutiert haben, schon mit sehr philosophischen Ansätzen. Das hat einfach Spaß gemacht. Mit Leuten, die auch Interesse hatten, sich mit Themen zu beschäftigen, die man woanders nicht wirklich ansprechen durfte, oder die man nicht ansprach.
Als ich meinen ersten Freund hatte, war ich 15 – er war ein bisschen älter. Da habe ich die Langhaarigen kennen gelernt, die sich immer auf der Prager Straße getroffen und Musik gemacht haben. Ich konnte auch Gitarre spielen und war da willkommen mit meinem Können. Da habe ich die Hippieszene von Dresden kennen gelernt. Im Prinzip habe ich mir schnell auch die entsprechenden Klamotten zugelegt, um auch dazu zu passen. Am Anfang war die Hippieszene mehr so ein bisschen rumhängen, bisschen quatschen, bisschen anders aussehen. Sich drüber freuen, wenn die Leute geschockt sind, wenn sie einen sehen, ein bisschen Musik machen, Partys organisieren. Das hat sich allerdings mit der Zeit geändert, weil die Diskussionen immer wieder in Richtung politischer Missstände gingen. Ein paar Leute waren dabei, die gesagt haben: ´Bloß meckern, das nützt nichts. Wir müssen da mal was machen.`
Da hat sich ein Kreis herausgebildet, der sich regelmäßig getroffen hat, um über politische Aktionen nachzudenken und in der Fortsetzung auch welche durchzuführen. Die ersten politischen Aktionen waren wirklich noch sehr kindhaft geprägt. Wir sind mit dem Leiterwagen losgezogen und haben einen großen Garten sauber gemacht. Der Anfang von Ökologie sozusagen. Ein bisschen später, da war ich 16 oder 17, haben wir versucht, im Rahmen der Kirche irgendwelche Veranstaltungen zu machen. Wir haben mal eine Veranstaltung zum 8. Mai, dem Tag der Befreiung, gemacht: zum Thema Militarisierung in der Gesellschaft. Irgendwann kam der 13. Februar, wo wir dazu aufgerufen haben, dass die Leute sich in der Frauenkirche versammeln sollen, um gegen Aufrüstung zu demonstrieren.
Johanna Kalex, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de