Abschrift
Mein Vater war Pfarrer, und ich komme aus einer Familie, die politisch bürgerlich, leicht konservativ geprägt ist. Der Großvater war bereits im Widerstand gegen die Nationalsozialisten – im Rahmen der Bekennenden Kirche. Er saß unter anderem kurzzeitig in der Festungshaft in Luckau. Meine Mutter ist in den 1950er Jahren von der EOS [Erweiterte Oberschule] runtergeflogen, wegen politischem Ärger. Von daher spielte Politik grundsätzlich, und die Ablehnung gegenüber der DDR, immer eine Rolle.
Da gab es einen relativ einschneidenden Konflikt, und zwar im Zusammenhang mit dem Open-Air-Aufnäher ´Schwerter zu Pflugscharen`, der damals anlässlich der zweiten Friedensdekade herausgegeben wurde. Ich hatte den an den Parka genäht und bin damit immer zur Berufsschule gelaufen. An die 20 Leute trugen diesen Aufnäher pro Durchgang. Es rotierte immer alle 14 Tage. Insgesamt trugen 40 Leute diesen Aufnäher, und die Berufsschulleitung drohte immer: Wer morgen damit kommt, kriegt Hausverbot. Das machte sie Tag ein, Tag aus. Jedenfalls kamen immer wieder alle 20 damit anmarschiert, und 20 hat man sich nicht getraut, rauszuwerfen. Das wäre wahrscheinlich zu viel geworden.
Dieser ganz Ärger zog sich so zwei Wochen hin. Aber an einem Tag, ich glaube an einem Freitag, bröckelte die Front ganz schnell. Das sprach sich schnell rum: Der hat nachgegeben, der hat es abgemacht. Ich blieb dann mehr oder weniger als Einziger mit dem Aufnäher übrig. Ich wurde vor die Alternative gestellt, ihn abzumachen, aber ich habe mich geweigert. Dann habe ich Berufsschulverbot bekommen.
Ein weiteres einschneidendes Erlebnis war für mich, bevor ich überhaupt etwas politisch gemacht habe, eine Festnahme. Ich stand unter Verdacht der Republikflucht, auf dem Bahnhof in Wismar. Total schwachsinnig, denn ich hatte alles: Fahrkarte nach Rostock und so. Zu Ostern war das. Ich gehe selbst im Juli nicht in die Ostsee, weil das zu kalt ist, aber Ostern schon gar nicht. Also, das war mir vollkommen unverständlich. Jedenfalls wurden da ziemlich harte Geschütze aufgefahren, mit einer relativ hohen Brutalität von Seiten der Polizei. Vernehmungen hin und her. Es endete damit, dass mich dieser Chefvernehmer als ´Angehöriger einer katholischen Sekte` titulierte. Ich habe gesagt: Es gibt keine katholischen Sekten; Sekten sind eine evangelische Erscheinung. Gut, irgendwann kam ich dann doch raus, aber damit war für mich der Ofen aus.
Christian Halbrock, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de