Abschrift
Die Grünen in West-Deutschland hatten eine große Vorbildfunktion. Es war klar, dass man unter dem Vorzeichen ´Umwelt` relativ viel machen konnte, ohne gleich in diesen strafrelevanten Bereich hinein zu rutschen, was einen bei der Polizei und beim MfS [Ministerium für Staatssicherheit] in Erklärungsnot brachte. Gegen klar definierte Staatsfeinde vorzugehen, das ist ganz einfach. Aber jetzt, wenn die Leute, die am Straßenrand stehen, sagen: ´Nö, warum nehmen sie jetzt diese Jugendlichen da mit? Das ist doch was Gutes, dass die für die Umwelt sind ...`.
Das haben wir sofort mitgekriegt: Das bringt uns eine wesentlich bessere Position. Dadurch kamen auch immer gute Kontakte zustande, mit der Bevölkerung. So konnte diese Isolation schnell aufgebrochen werden. Was noch hinzu kam, das war 1983 in Berlin, wo relativ viele Leute aus verschiedensten Städten der DDR hinzogen. Viele litten unter demselben Gedanken oder Missstand und sagten: ´Es wird immer diskutiert, diskutiert, aber es passiert nichts, keiner macht was`. In Berlin gab es bereits die etablierten Friedensgruppen in ESG [Evangelische Studentengemeinde], diese Friedensgruppen, in Samariter. Da wurde diskutiert und diskutiert, und jede Eingabe dauerte zwei Wochen. Jeden Abend wurde da jedes Komma abgestimmt. Als wenn das irgendwie wichtig gewesen wäre. Wir wollten einfach was machen, wir wollten auf die Straße, wollten was auf die Straße tragen.
Wir sind dann zu diesen Friedensgruppen auf Distanz [gegangen], weil wir auf eindeutigen Widerspruch stießen. Da haben wir einfach gesagt: Wir machen Umweltgruppen auf, als Untergruppen oder selbstständige Umweltgruppen. Wir machen unsere eigenen Gruppen, und ziehen das durch. Die ganz eindeutige Idee war schon diese logistische und strategische Überlegung: Um hier in der DDR etwas verändern zu können, muss man sich nicht nur schrittweise eine Basis schaffen, von der aus man ungehindert handeln kann. Man muss vielmehr auch die einzelnen Monopole dieses Staates schrittweise unterhöhlen, aushöhlen. Das Wichtigste war eben dieses Informationsmonopol. Erst dann würde es zu einer Änderung in der DDR kommen.
Das war unser Konzept. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir begreifen Umwelt als allumfassenden Begriff. Umwelt ist für uns auch die Wahrung der individuellen persönlichen Unverletztheit des einzelnen Bürgers. Es ist für uns die Reisefreiheit, es ist für uns die Informationsmonopolpolitik der DDR. Und somit ist Umwelt für uns ein ganzheitlicher Begriff.
Christian Halbrock, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de