Abschrift
Sprecher (off):
„Keinen Schlussstrich ziehen, sondern aufarbeiten, das will die Opposition – hier beim Sichten der Akten. Wer anders dachte, als die Staatsdoktrin es vorschrieb, wer ausreisen wollte oder wer auch nur beruflich in den Westen fuhr: Jeder ist hier erfasst. Aber manche Akte fehlt bereits. Sie wanderte in den Reißwolf oder wurde verbrannt. Die Regierung Modrow sicherte am 4. Dezember letzten Jahres zu, jegliche Aktenvernichtung zu stoppen. Ein internes Fernschreiben, das wenige Tage später abgeschickt wurde, spricht dagegen.
Unter dieser Nummer (+249-2705-33e 74-89 07.12. 11.00 wk) vom 7. Dezember schrieb der Ministerrat der DDR ein Blitztelegramm an alle Räte der Bezirke und an die Beauftragten des Vorsitzenden des Ministerrates. In diesem Fernschreiben heißt es unter anderem: Die Regierung beauftragt den Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit, die unberechtigt angelegten Dokumente unverzüglich zu vernichten.`
Von der Vernichtung bedroht auch diese Akten im Untersuchungsgefängnis der ehemaligen Stasi im DDR-Bezirk Gera, für jeden Mitarbeiter jederzeit zugänglich. Wer will, kann seine Spuren hier beseitigen. Aber auch ganz offiziell wurde versucht, Papiere aus dem Weg zu schaffen. Ein Mitglied des Bürgerkomitees erzählt, dass die Opposition dabei sogar zur Mitarbeit aufgefordert wurde.“
Markus Heckert (Neues Forum):
„Ich habe den Eindruck, dass das Bürgerkomitee, was sich hier gebildet hat, eine Feigenblattfunktion ausführen soll. Ganz massiv wurde von uns am Anfang verlangt und erwartet, dass wir unsere Zustimmung geben, sämtliche noch vorhandenen Akten zu vernichten.“
Quelle: Kontraste, Januar 1990, RBB/SFB