Abschrift
Interviewer:
„Wie beurteilen Sie den Konflikt, den es zwischen ausreisewilligen Bürgern und Ausreisegruppen und den Gruppen der Kirche gibt?“
G. Jeschonnek:
„Na ja, den kann man vielleicht so beschreiben, dass die Gruppen, die in der DDR bleiben, Sorgen erfahren, wenn sie zu sehr unterwandert` sind von Ausreiseleuten – dass sie dadurch möglicherweise mit dem Staat mehr zu tun haben und dass sie nicht zu ihrer eigentlichen Arbeit kommen, dass also die Ausreiseleute durch spektakuläre Aktionen ihre Arbeit stören. Und das wollen sie logischerweise nicht. Und aus dem Grunde schotten sich auch viele Gruppen ab gegenüber Ausreiseleuten. Das halte ich nicht für so sinnvoll, weil sie damit die Ausreisethematik auch wieder wegschieben für sich. Und sie müssen sich diesem Thema stellen. Sie müssen sich auch damit auseinandersetzen, weil die Ursachen, die zur Ausreise führen, sind genau die gleichen Themen, die sie selber auch abarbeiten. Ich denke, dass die Probleme lösbar wären, wenn es endlich in der DDR-Führung Leute gibt, die sagen: Es ist an der Zeit, dass wir uns an einen Tisch setzen mit den kritischen Gruppen, mit den kritischen Menschen in der DDR.“
Quelle: Kontraste, 29. März 1988, RBB/SFB