Abschrift
Sprecher (off):
„So weit hatten wir es geschafft. Wir konnten anfangen! Und so war es ein verheißungsvoller Tag, als unsere Universität feierlich eröffnet wurde, kaum ein halbes Jahr nachdem die Idee dazu geboren wurde. Es sprach neben anderen Professor Reuter, der gewählte Oberbürgermeister von Berlin, Professor Redslob, unser geschäftsführender Rektor, Oberst Harley, amerikanischer Stadtkommandant, Thornton Wilder, ein Gast aus den Vereinigten Staaten, der uns die Grüße der großen amerikanischen Universitäten überbrachte.
Und wir gingen zurück in unsere Universität, um weiterzuarbeiten. In uns klangen noch die Worte nach, die unser greiser Rektor Geheimrat Meinecke am Tag der Eröffnung an uns richtete. Von seinem Krankenbett hat er durch den Rundfunk zu uns gesprochen, hat uns ein Ziel und einen Leitspruch gegeben, als er sagte:“
Prof. Friedrich Meinecke:
„Es gibt ein großes Goethe-Wort: Schädliche Wahrheit, ich ziehe sie vor dem nützlichen Irrtum. Wahrheit heilet den Schmerz, den sie vielleicht uns erregt.` Das ist der Leitgedanke, nach dem wir arbeiten und wirken, forschen und lehren wollen. Wir wissen, dass auch drüben, trotz des Irrtums über die Zeitlage, in dem man dort befangen ist, das Streben nach Wahrheit und Freiheit keineswegs erloschen ist. Fern bleibe darum der Gedanke, einen unmittelbaren Kampf der beiden Universitäten gegeneinander zu beginnen. Nicht Kampf gegeneinander, sondern Wetteifer miteinander sei unsere Losung. Möge der Tag kommen, wo wir uns wieder vereinigen können. Es würde derselbe Tag sein, den alle Völker der Welt heute so heiß ersehnen, an dem das Wort des Dichters erfüllt würde: Friede, Friede auf der Erde!“
Quelle: Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin, „Eine freie Universität“ von Wolfgang Kiepenheuer von 1949