Abschrift
Sprecher (off):
„Die ersten Bücher kamen, und so wurde es langsam der Anfang einer Universität. Wir hatten es nicht leicht, denn gerade in diesen Tagen begann die Berliner Blockade. Aber nicht nur Möbel, auch Professoren kamen – aus der Ostzone, wenn sie Glück hatten – mit Kind und Kegel und ihrem gesamten Inventar. Bei anderen aber musste die Abreise so plötzlich bei Nacht und Nebel vor sich gehen, dass sie bis auf die wertvollsten Bücher alles stehen lassen mussten.
Das Haus füllte sich mit Studenten. Wir standen vor dem Schwarzen Brett mit den Vorlesungsverzeichnissen. Wir drängten uns in dem Immatrikulationsbüro. Und die Professoren hielten ihre ersten Vorlesungen – oft bei Kerzenlicht, denn abends war Stromsperre. Mitschreiben konnten wir kaum, dafür war es zu dunkel. Wir hatten auch noch nicht genügend Bänke und zogen mit unseren Stühlen von Vorlesung zu Vorlesung, denn wir waren froh, überhaupt studieren zu können.
Aber es fehlte uns – und fehlt noch heute – an vielem, trotz der Hilfe von außen, trotz der Unterstützung und Spenden. Im Anfang aber ist der Wille zum Lernen, die Möglichkeit der Forschung wichtiger als die Vollkommenheit der Mittel. Auch wenn die Theaterwissenschaftler auf dem Dachboden üben mussten und auch wenn der Philosoph in einem Theater zwischen Dekorationen dozierte und wenn wir mit der Straßenbahn durch halb Berlin fahren mussten, um sehr beengt in einer Bibliothek medizinische Vorlesungen zu hören.“
Quelle: Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin, „Eine freie Universität“ von Wolfgang Kiepenheuer von 1949