Ostbüro der SPD
Die Vereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten zur SED im April 1946 geschieht gegen den Willen eines großen Teils der SPD-Mitglieder. Nach der Fusion ist die SPD in der Sowjetischen Zone faktisch verboten. Trotzdem fühlten sich viele ehemalige SPD-Mitglieder immer noch der Partei verbunden und orientieren sich nun an der Mutterpartei in den westlichen Besatzungszonen.
Die West-SPD unter Kurt Schumacher lehnt die Vereinigung mit der KPD auf das schärfste ab. In ihren Augen sind die Kommunisten nichts als „rot lackierte Nazis“, wie es Schumacher schon 1930 ausdrückte. Die SPD zögert nicht, ganz in der Tradition des antifaschistischen Widerstandskampfes, in der Ostzone die illegale Arbeit zu organisieren. Diesem Zweck dient das Ostbüro der SPD. Es hat außerdem die Aufgabe, Flüchtlinge aus dem Osten zu betreuen und von ihnen Informationen zu erhalten.
Sitz des Ostbüros ist Hannover in der Britischen Zone. Von dort reisen Kuriere in die Sowjetzone, um zu vertrauenswürdigen Sozialdemokraten Kontakte zu knüpfen. Mehrere dieser Kuriere fallen dem sowjetischen Nachrichtendienst NKWD in die Hände. Es kommt zu einer Verhaftungswelle unter den Kontaktleuten des Ostbüros. Sie sind auf die illegale Arbeit schlecht vorbereitet und zudem als SPD-Mitglieder bekannt. Bis 1950 werden rund 1.000 Sozialdemokraten verhaftet und zu hohen Zuchthausstrafen oder sogar zum Tode verurteilt.
Am 8. Februar 1949 kommt es zu einer weiteren Katastrophe. Der Mitarbeiter des Ostbüros Heinz Kühne wird von Agenten aus West-Berlin entführt und zu Aussagen über die illegalen Netze im Osten gepresst. Wieder werden hunderte Kontaktleute verhaftet. Inzwischen ist der Vorwurf, „Agenten des Ostbüros“ oder „Schumacher-Agent“ zu sein, für die SED ein bequemer Vorwand, ehemalige SPD-Mitglieder los zu werden. Auch in den Gerichtsakten lässt sich nicht immer genau unterscheiden, ob die Anschuldigungen einen sachlichen Kern haben oder nur den Vorwand für die Strafverfolgung liefern.
Seit 1949 operiert das Ostbüro vorsichtiger und professioneller. Schon damals ist die Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst innerhalb der SPD umstritten. Man nutzt gelegentlich die Geheimdienstkontakte lehnt aber reine Spionageaufgaben ab.
Für die SED-Propaganda ist es dennoch ausgemachte Sache: Das Ostbüro der SPD ist eine Agentenzentrale des Westens. Nach dem 17. Juni 1953 werden die „Agenten des Ostbüros“ zu Hauptschuldigen für Streiks und Proteste gemacht. Wir wissen heute aus den Akten, dass die SPD trotz ihres Netzes von Vertrauensleuten von dem Aufstand genau so überrascht war, wie die Staatssicherheit der DDR. Auch Wolfgang Harich, der 1957 wegen seiner kritischen Auffassungen vor Gericht steht, wird ein Gespräch mit Vertretern des Ostbüros in West-Berlin zum Verhängnis. Er erhält eine Zuchthausstrafe von zehn Jahren.
Die Risiken einer illegalen Tätigkeit werden unverantwortlich hoch, so dass das Ostbüro sich immer mehr auf Flugblätter beschränkt, die meist mit Ballons in die DDR transportiert werden. Mit dem Beginn des Entspannungsprozesses scheinen auch solche Aktionen nicht mehr zeitgemäß. Das Ostbüro wird 1967 in ein „Referat für gesamtdeutsche Fragen“ beim Parteivorstand der SPD umgewandelt und verliert seine Bedeutung.