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Die junge oppositionelle Szene in Jena

Die oppositionelle Szene in Jena trifft sich oft zu Ausflügen in die Umgebung, hier eine Wanderung nach Vollradisroda im März 1976. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Die oppositionelle Szene in Jena trifft sich oft zu Ausflügen in die Umgebung, hier eine Wanderung nach Vollradisroda im März 1976. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Platz der Kosmonauten 1983. Im Hintergrund die Jenaer Kernberge, ein beliebtes Ausflugsziel für viele Jenenser. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Platz der Kosmonauten 1983. Im Hintergrund die Jenaer Kernberge, ein beliebtes Ausflugsziel für viele Jenenser. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
1973, Leitlinien für den Arbeitskreis Literatur und Lyrik in Jena. Den Jugendlichen soll die Möglichkeiten gegeben werden, sich künstlerisch zu betätigen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
1973, Leitlinien für den Arbeitskreis Literatur und Lyrik in Jena. Den Jugendlichen soll die Möglichkeiten gegeben werden, sich künstlerisch zu betätigen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Abschrift
Der 21-jährige Student und Autor Lutz Rathenow 1973 mit Freunden während einer Wanderung zwischen Jena und Weimar. V.l.n.r.: Thoralf Bauer, Lutz Rathenow, Bernd Klubeck, Christine Hildebrandt, Norbert Weinz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut...
Der 21-jährige Student und Autor Lutz Rathenow 1973 mit Freunden während einer Wanderung zwischen Jena und Weimar. V.l.n.r.: Thoralf Bauer, Lutz Rathenow, Bernd Klubeck, Christine Hildebrandt, Norbert Weinz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
1973 initiiert der 21-jährige Autor Lutz Rathenow in seiner Wohnung den Zirkel Literatur und Lyrik. Drei Monate später zieht der Kreis ins Kulturhaus Jena-Neulobeda. Hier können auch „inoffizielle“ Autoren auftreten. Am 5. Oktober 1973 stellt Lutz...
1973 initiiert der 21-jährige Autor Lutz Rathenow in seiner Wohnung den Zirkel Literatur und Lyrik. Drei Monate später zieht der Kreis ins Kulturhaus Jena-Neulobeda. Hier können auch „inoffizielle“ Autoren auftreten. Am 5. Oktober 1973 stellt Lutz Rathenow beim Kabinett für Kultur Jena einen Antrag auf Einstufung als Leiter des Arbeitskreises Literatur und Lyrik. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Abschrift
Genehmigt: Schreiben vom Kabinett für Kultur Jena an das Kulturhaus Neulobeda, in dem Lutz Rathenow als Leiter des Arbeitskreises Literatur und Lyrik bestätigt wird (31. Oktober 1973). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Genehmigt: Schreiben vom Kabinett für Kultur Jena an das Kulturhaus Neulobeda, in dem Lutz Rathenow als Leiter des Arbeitskreises Literatur und Lyrik bestätigt wird (31. Oktober 1973). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Abschrift
Eröffnungsbericht der Kreisdienststelle Jena zum Operativen Vorgang „Pegasus“, in dem das MfS die Akteure des Literaturzirkels (Jürgen Fuchs, Lutz Rathenow, Wolfgang und Martin Hinkeldey und Bernd Markowsky) bearbeitet (27. Januar 1975). Der SED...
Eröffnungsbericht der Kreisdienststelle Jena zum Operativen Vorgang „Pegasus“, in dem das MfS die Akteure des Literaturzirkels (Jürgen Fuchs, Lutz Rathenow, Wolfgang und Martin Hinkeldey und Bernd Markowsky) bearbeitet (27. Januar 1975). Der SED ist das Maß an Selbstorganisation ein Dorn im Auge. Im Frühjahr 1975 verbietet sie die Arbeit des Zirkels im Kulturhaus. Quelle: BStU, MfS, Ast. Gera, KD Jena 740/77, Seite 1 von 2
Abschrift
Eröffnungsbericht der Kreisdienststelle Jena zum Operativen Vorgang „Pegasus“, in dem das MfS die Akteure des Literaturzirkels (Jürgen Fuchs, Lutz Rathenow, Wolfgang und Martin Hinkeldey und Bernd Markowsky) bearbeitet (27. Januar 1975). Der SED...
Eröffnungsbericht der Kreisdienststelle Jena zum Operativen Vorgang „Pegasus“, in dem das MfS die Akteure des Literaturzirkels (Jürgen Fuchs, Lutz Rathenow, Wolfgang und Martin Hinkeldey und Bernd Markowsky) bearbeitet (27. Januar 1975). Der SED ist das Maß an Selbstorganisation ein Dorn im Auge. Im Frühjahr 1975 verbietet sie die Arbeit des Zirkels im Kulturhaus. Quelle: BStU, MfS, Ast. Gera, KD Jena 740/77, Seite 2 von 2
Abschrift
Werkstatttage der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte 1980. Diese Arbeitsform wird 1972 in Jena entwickelt und bietet vielen jungen Menschen bis 1989 die Möglichkeit des aktiven Austauschs. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Werkstatttage der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte 1980. Diese Arbeitsform wird 1972 in Jena entwickelt und bietet vielen jungen Menschen bis 1989 die Möglichkeit des aktiven Austauschs. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Mitglieder der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte treffen sich im April 1983 zu einer Wanderung auf dem Platz der Kosmonauten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Mitglieder der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte treffen sich im April 1983 zu einer Wanderung auf dem Platz der Kosmonauten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Mitglieder der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte treffen sich im April 1983 zu einer Wanderung auf dem Platz der Kosmonauten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Mitglieder der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte treffen sich im April 1983 zu einer Wanderung auf dem Platz der Kosmonauten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz
Vorverurteilt: Ein Jugendlicher aus Jena zeigt seinen PM 12, den berüchtigten Ersatzausweis. Der PM 12 wird anstelle des Personalausweises ausgegeben, wenn dieser aus meist politischen Gründen eingezogen wurde. Wer einen PM 12 bekommt, muss sich regelmäßig...
Vorverurteilt: Ein Jugendlicher aus Jena zeigt seinen PM 12, den berüchtigten Ersatzausweis. Der PM 12 wird anstelle des Personalausweises ausgegeben, wenn dieser aus meist politischen Gründen eingezogen wurde. Wer einen PM 12 bekommt, muss sich regelmäßig auf dem Revier der Volkspolizei melden, darf in vielen Fällen die Stadt nicht verlassen und nicht ins Ausland reisen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Aus einer Bierlaune heraus rufen Jugendliche ein Open-Air-Frühstück ins Leben: Am 12. Juli 1986 frühstücken 60 bis 80 Leute auf dem Platz der Kosmonauten in Jena an weiß gedeckten Tischen. Es gibt gekochte Eier, frische Brötchen, Musik und jede...
Aus einer Bierlaune heraus rufen Jugendliche ein Open-Air-Frühstück ins Leben: Am 12. Juli 1986 frühstücken 60 bis 80 Leute auf dem Platz der Kosmonauten in Jena an weiß gedeckten Tischen. Es gibt gekochte Eier, frische Brötchen, Musik und jede Menge guter Laune, bis die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen anrückt und mit der Räumung des Platzes droht. Am Ende müssen die beteiligten Jugendlichen Ordnungsstrafen in Höhe von 50 bis 500 Mark zahlen. Begründung: Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Aus einer Bierlaune heraus rufen Jugendliche ein Open-Air-Frühstück ins Leben: Am 12. Juli 1986 frühstücken 60 bis 80 Leute auf dem Platz der Kosmonauten in Jena an weiß gedeckten Tischen. Es gibt gekochte Eier, frische Brötchen, Musik und jede...
Aus einer Bierlaune heraus rufen Jugendliche ein Open-Air-Frühstück ins Leben: Am 12. Juli 1986 frühstücken 60 bis 80 Leute auf dem Platz der Kosmonauten in Jena an weiß gedeckten Tischen. Es gibt gekochte Eier, frische Brötchen, Musik und jede Menge guter Laune, bis die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen anrückt und mit der Räumung des Platzes droht. Am Ende müssen die beteiligten Jugendlichen Ordnungsstrafen in Höhe von 50 bis 500 Mark zahlen. Begründung: Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Sozialistisches Wohnen: Im Zuge des Wohnungsbauprogramms nach dem VIII. Parteitag der SED entstehen in den DDR-Städten monotone Großsiedlungen, die im Volksmund als Arbeiterschließfächer, Wohnsilos, Karnickelbuchten oder Massenverwahrung bezeichnet...
Sozialistisches Wohnen: Im Zuge des Wohnungsbauprogramms nach dem VIII. Parteitag der SED entstehen in den DDR-Städten monotone Großsiedlungen, die im Volksmund als Arbeiterschließfächer, Wohnsilos, Karnickelbuchten oder Massenverwahrung bezeichnet werden. Im Bild: das Neubaugebiet Jena-Neulobeda, in dem Matthias Domaschk und viele seiner Freunde aufwachsen. Quelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Uwe Gerig, Bild 9

Was ihre Bevölkerungsstruktur in der DDR anbelangt, nimmt die Stadt Jena in den 1980er Jahren eine Sonderstellung ein. Der kleine Ort wächst vor allem durch die Universität und das Zeiss-Werk rasch zu einer Groß- und Industriestadt heran. 1975 hat Jena über 100.000 Einwohner. Vor allem junge Menschen ziehen hierher: um zu studieren oder sich in einem der Großbetriebe wie VEB Jenapharm und VEB Carl Zeiss Jena ausbilden zu lassen. Jena ist bekannt für seine optische und pharmazeutische Industrie sowie für seine Glaswerke.

Das kulturelle Angebot für Jugendliche hinkt den Wünschen allerdings hinterher. Manche Studenten und Lehrlinge versuchen deshalb, eigene Alternativen zu entwickeln – unabhängig von SED- und FDJ-Veranstaltungen. Viele Aktivitäten werden privat organisiert: Wanderungen ins Umland, Hoffeste, Kunstausstellungen, Kinderfeste, Lesungen, Konzerte. Bei diesen Gelegenheiten wird nicht nur gefeiert, sondern auch über die politischen Zustände im Land diskutiert.

Manchmal gelingt es den Jugendlichen, öffentliche Räume für ihre kulturellen Aktivitäten zu erobern. 1973 initiiert der 21-jährige Autor Lutz Rathenow einen Zirkel in seiner Wohnung: Literatur und Lyrik. Drei Monate später zieht der Kreis ins Kulturhaus Jena-Neulobeda. Hier können auch Autoren auftreten, die außerhalb der offiziellen DDR-Literaturszene agieren, zum Beispiel Bernd Markowsky und Wolfgang Hinkeldey.

Junge Jenenser widersetzen sich dem befohlenen Kulturprogramm

Auch Jürgen Fuchs liest in Jena-Neulobeda. 1975, zwei Jahre nach der Gründung, wird der Zirkel von den Behörden zerstört. Die zuständigen SED-Kulturfunktionäre haben Wind davon bekommen, dass die jungen Leute dort auch über etwas anderes diskutieren als nur über Literatur.

Einer der tragenden Pfeiler der alternativen Jugendkultur in Jena ist die Junge Gemeinde (JG) Stadtmitte. Ab März 1983 kommt die Friedensgemeinschaft Jena hinzu, die teilweise aus der JG hervorgeht. (Dorothea Fischer berichtet im Zeitzeugen-Interview darüber.)

Unter dem Dach der Kirche organisieren Jenaer Jugendliche ihr eigenes Kulturprogramm. Die offizielle Unterstützung durch die Kirchengemeinden beschränkt sich meist auf die kostenlose Bereitstellung von Räumlichkeiten. Und doch: Mancher Diakon hilft auf eigenes Risiko und ohne Absprache mit der Kirchenleitung den Aktivisten bei Widerstandsaktionen – zum Beispiel beim Vervielfältigen von Flugblättern. Häufig finden die Veranstaltungen im Rahmen der sogenannten Offenen Arbeit der Kirche statt. Und immer unter den Argusaugen der Staatssicherheit.

Im Februar 1983 verfasst die Geraer Bezirksverwaltung der Stasi eine „Jahreseinschätzung zur politisch-operativen Lage unter der Jugend des Bezirkes Gera“ (Bildergalerie). Dabei stellen die Stasi-Leute fest: „Zunehmend zeigt sich, daß Jugendliche und Jungerwachsene eine bevorzugte Zielgruppe des Gegners darstellen. [...] Territoriale Schwerpunkte bilden die Kreise Jena, Saalfeld und die Bezirksstadt (Gera).“

Als problematisch empfindet die Stasi unter anderem „die Unterwanderung und Schwächung der Wehrbereitschaft, Verteidigungs- und Friedenspolitik der sozialistischen Staaten“. Sie glaubt auch, eine „Unterwanderung der sozialistischen Jugend“ sowie eine „Diffamierung der Tätigkeit der Schutz- und Sicherheitsorgane“ zu erkennen.



Zitierempfehlung: „Die junge oppositionelle Szene in Jena“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145329

 


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