Abschrift
In Rostock wurde mittags das Essen durch die Klappe gestellt, eine Blechschüssel. Da waren vier oder fünf Pellkartoffeln drin, je nach Größe, ein halber gekochter Salzhering, entweder Kopf- oder Schwanzteil, eine undefinierbare Brühe mit gelben Fettaugen. Es hieß immer: ´Da haben sie Maschinenöl drauf gekippt`. Garantiert nicht, denn wir sind ja nicht daran gestorben. Und viele Pimentkörner. Der Salzhering war meistens nicht richtig gewässert, so dass wir Durst hatten. Zum Glück hatten wir eine Toilette, so einen Tiefspüler. Man hat gespült, die Hände darunter gehalten und das Wasser getrunken.
Wo ich meine Magenprobleme her hab, weiß ich nicht. Aber wenn man Durst hat, macht man alles. Die Pimentkörner wurden benutzt, um sie zu trocknen, auf die Fensterbank zu legen. Man sollte ja meistens stehen, und dann hat man ein bisschen damit gespielt. Wenn man zu lange stand, ging die Tür auf, und einer sagte bloß: ´Geben Sie her`, und sammelte die wieder ein. Man war zur Untätigkeit verdammt. Abends gab es vier Scheiben Brot mit 40 Gramm Wurst und Muckefuck. Das Schlafen nachts war im Grunde eine Tortur. Man durfte um 22 Uhr das Bett runterklappen, legte sich hin. Man musste so mit dem Kopf zur Tür liegen, dass der Wachhabende, wenn er durch den Spion guckte, Sichtkontakt hatte. Die Hände mussten auf der Decke liegen.
Das ist natürlich ein Unding, denn sobald man sich rumdreht, rutschen unwillkürlich die Hände runter. Dann wurde nachts gegen die Tür gehämmert, Licht angemacht, bis man, nach Meinung des Wachtmeisters, wieder ordentlich gelegen hat. Das ging zwei, drei Monate so, dann konnte man sogar in dieser Stellung schlafen. Aber da war das Gefühl, diesen Wachtmeistern ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Der hätte das ja nicht machen müssen, kostete aber seine Macht aus.
Johannes Rink, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de