Abschrift
Mich haben natürlich die West-Sender geprägt. Ich habe mich an dem orientiert, was in den West-Sendern gespielt wurde. Das war RIAS, das war Bayern3, das war im Fernsehen der Beat Club, das war die Rockmusik der 60er und 70er: Led Zeppelin, Rolling Stones ... Und natürlich, wenn die mit deutschen Texten gearbeitet haben, das waren ihre Kinder, das waren Ton Steine Scherben. Das war die Musik, die mein Lebensgefühl widergespiegelt hat. Das sind ja die Konflikte, die entstehen, wenn man einfach leben will. Ein selbst bestimmtes Leben führen, die Musik hören, die man liebt. Sich kleiden, wie man es gerne hat. Die Haare tragen, wie man es gerne hat. Und dann kamen die Lehrer und haben gesagt: ´Lange Haare, das geht nicht. Das ist dekadent. Das ist zu westlich`. Da gab es richtige Konfrontationen.
Der Lehrer kam und hat gesagt: ´So umdrehen, Haarlänge zeige`. Das habe ich nicht gut gefunden, mein Gerechtigkeitsgefühl war da gebrochen, und ich habe mich zur Wehr gesetzt. An der Oberschule bin ich, als es einen Freund von mir getroffen hat, der wegen langer Haare vom Schuldirektor zum Friseur geschickt wurde, da bin ich nach Berlin gefahren, zum Volksbildungsministerium und habe mich beschwert. Ich habe gesagt: ´Das ist kein Zustand. Das kann nicht sein, dass man wegen seiner langen Haare aus dem Unterricht genommen wird`. Ich habe meine Beschwerde dort vorgetragen und das Ergebnis war, dass wir an der Schule lange Haare tragen durften.
Dann bin ich zum Grundwehrdienst gezogen worden. Grundwehrdienst war bei mir zufällig Bereitschaftspolizei. Das waren diejenigen, die im Inneren der DDR für Ordnung eingesetzt worden sind, aber als ganz normale Soldaten. Ich wusste damals noch nicht, dass es Bausoldaten gab. Ich wusste noch nicht, wie man die Waffe verweigert. Deshalb habe ich diesen Grundwehrdienst angetreten. Andererseits habe ich dort bei der Bereitschaftspolizei gelernt, was dieser Staat eigentlich darstellt. Wie er mit seinen Staatsfeinden umgehen will. Und ich habe ihn von Seiten der Macht kennen gelernt. Das war ein ganz wichtiger Erfahrungsprozess. Das hat mich in der Hinsicht politisch geprägt, dass ich alles noch genauer hinterfragt habe, dass ich begriffen habe, dass dieser Staat bereit ist, jeden der gegen ihn ist, mit aller Macht zu unterdrücken. Es war nicht so, dass das von vornherein Oppositionskreise waren, in denen man sich bewegt hat. Unser ganzer Freundeskreis wurde richtig in so eine Ecke getrieben. Dieser Staat hat seine Staatsfeinde geschaffen.
Roland Jahn, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de