Abschrift
Auf diesem regelmäßigen Treffpunkt montags in der Nikolaikirche konnten immer wieder neue Leute dazu stoßen, und so wurden es immer mehr. Wir versuchten, jeden Montag eine Meldung in die Öffentlichkeit zu bekommen, über das, was in Leipzig geschah. Das heißt: ins West-Radio und -Fernsehen. Jedesmal, wenn der Staat eingriff, war das für uns eine Möglichkeit, eine aktuelle Meldung über die Nachrichtenagenturen dpa oder AP zu verbreiten.
Und so kamen immer mehr Leute zusammen. Im Frühjahr / Sommer '89 bestand in Ungarn schon die Möglichkeit, die Grenze zu überschreiten. Im September '89 war die ungarische Grenze nach West-Deutschland ganz offen. Man konnte aus der DDR zwar nicht mehr in die Tschechoslowakei und von dort nach Ungarn kommen, aber trotzdem kam Hoffnung auf Veränderung auf. Es herrschte eine Art Endzeitstimmung: Wer weiß, was das noch wird, vor diesem 40. Jahrestag?
40 Jahre DDR, da werden die nochmal schlimm reinknüppeln. Es war uns ziemlich klar, dass es nicht so weitergehen konnte. Es wird nach dem 7. Oktober anders werden in diesem Land. Einen großen Sieg haben wir am Abend des 9. Oktober gefeiert. Als die Demonstration noch im Gange war und die Parteiseite sich offen dazu verhalten hat: ´Jawoll, es gibt Demonstrationen, und wir werden uns für Veränderungen im Land einsetzen`. Da war klar: Wir haben es geschafft.
Rainer Müller, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de