Abschrift
Siegbert Schefke wollte mit jemandem, dem er trauen konnte, zusammen Fotos machen beziehungsweise Geschichten erzählen, die aus der DDR stammten und einen journalistischen Anspruch hatten. Das war eine sehr heikle Entscheidung, weil die bedeutete, tatsächlich in vollem Bewusstsein etwas Illegales zu tun. Als dieser Kontakt das erste Mal zustande kam, habe ich kurz darüber nachgedacht und gesagt: ´Ich glaube, das machen wir zusammen, das ist genau mein Ding`.
So habe ich das damals gesagt. Ich wollte das tun, weil ich damit die Möglichkeit gesehen habe, diesen ganzen angestautem Frust in mir mittels dieser Tätigkeit abzubauen. Darin habe ich etwas Sinnvolles gesehen. Wenn die Gegenwart quasi ihre eigene Wirklichkeit nicht erträgt, dann ist irgendwas an dieser Gegenwart faul. Wenn man sie anfängt zu spiegeln. Wir haben ja in aller Deutlichkeit erlebt, dass das überhaupt nicht gewünscht war, und dass das für die andere Seite sehr unangenehm war. Das hat mich darin bestärkt, weiter die Videokamera und den Fotoapparat in die Hand zu nehmen und zu dokumentieren, was real vor sich geht. Es war merkwürdigerweise so, dass wir jedes Mal, wenn das veröffentlicht wurde – vor allen Dingen im Fernsehen – erstmal selber verstanden, was für eine Tragweite die Zerstörung in der DDR schon angenommen hatte.
Das öffnete mir zunehmend die Augen. Ich glaube, auch den Menschen, die das gesehen haben, die merkten: Da sind zwei, Stimmen, die mit der Kamera unterwegs sind. Man weiß nicht, wer sie sind, aber das sind keine West-Journalisten. Das sind Ostler, die im eigenen Land mit Kameras umher fahren und auf Dinge aufmerksam machen, die ihr eigenes Leben betreffen. Menschen, die in der Reflexion durch Kontraste, durch eine Fernsehsendung oder durch die Nachrichten, dieses Leben gespiegelt bekommen.
Ich habe das ein paar Mal selbst erlebt, dass sich fremde Menschen über diese Bilder, die wir da gemacht hatten, unterhielten – am Nachbartisch in der Kneipe oder so. Das hieß: Da ist irgendetwas im Gange, das öffentlich auch so gesehen und empfunden wird. Viele Journalisten aus dem Westen entdeckten, dass wir diesen Job machten und baten uns, auch Material für sie anzufertigen. Material, das dann im Westen veröffentlicht wurde. Anfangs waren das oftmals Fotos, aber es wurden zunehmend auch Videoaufnahmen. Die waren anfänglich auch sehr fotografisch. Eigentlich waren es Dokumentationen, weil wir uns nicht trauten, Fragen zu stellen. Aber im Laufe der zwei Jahre ging's dann plötzlich ganz schnell, dass man doch Mikrophone aufbaute und Leute ganz konkret zu Sachverhalten befragte.
Diese Menschen, die da vor der Kamera standen, riskierten durch die Öffentlichkeit, die damit für sie entstand, Probleme zu bekommen. Man darf ja nicht vergessen, dass das, was wir da gemacht haben, hochgradig illegal war. Wir verletzten da am laufenden Meter bewusst maßgebliche Gesetze. Später erklärte mir mal ein Jurist, dass wir wegen Agententätigkeit für den Westen bis zu 16 Jahre Gefängnis hätten kriegen können. Da wir uns in einem hochgradig schwierigen Gesetzesraum bewegten – aber eben mit der naiven Freiheit, zu sagen: ´Wir machen das trotzdem`.
Aram Radomski, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de