Abschrift
Moderatorin:
„Ja, die Norm. Wenn mir heute etwas wirklich Spaß gemacht hat, dann war es die Unterhaltung, die Peter Wawerzinek mit Igor Tatschke führte. Die Scheißnorm`, die Saukerle musikalisch bekämpfen, greift Igor mit anderen Mitteln an.“
Peter Wawerzinek:
„Ich wollte dich jetzt mal ganz persönlich noch mal fragen: Wie kam es zu dieser Idee?“
Igor Tatschke:
„Das ist eine Idee, die besteht eigentlich schon, solange ich überhaupt Bilder mache. Das hat jetzt nichts mit einer Idee zu tun, jetzt die Ausstellung zu machen. Irgendwie haben sich dann die Möglichkeiten eröffnet, und dann ist es passiert sozusagen. Und dann kam: Na ja, könnte man mit Packpapier machen, könnte man so machen, könnte man so machen … Und dann hat sich das im Grunde genommen zu diesem Gesamtkonzept ergeben. Das hat nichts damit zu tun, jetzt so `ne abstrakte Kunst – also Galerie, und da gehen die Leute rein: ah, schön, nicht schön und so … Es soll einfach Spaß machen.“
Peter Wawerzinek:
„Da hätte ich also jetzt noch mal eine Frage, und zwar, die du ja bestimmt auch erwartest: die Mauerstein-AG. Ich habe ja auch lange schon vermutet, dass das bestimmt mal mit dir selber begonnen hat als Einzelperson ohne konkrete Zielrichtung, wer nun irgendwann dazustoßen darf und wer nicht. Wie weit würdest du sehen: Könnte die Mauerstein-AG etwas Umgreifendes werden, oder bleibt es etwas für ein eingeweihtes oder interessiertes Publikum?“
Igor Tatschke:
„Mauerstein-AG, das ist so ein schönes Wort, mit dem man gut spielen kann, was man so schön raus- und dazunehmen kann. Weil Mauerstein-AG im Grunde genommen, ist Fakt, Mauerstein-Produktion, so habe ich meine Bilder unterschrieben, weil ich einfach dieses Künstlertum, dieses signierte, hasse, weil ja Kunst heutzutage sowieso bloß ein Produkt ist mehr oder weniger. Damit muss man sich nun einmal abfinden. Und das habe ich eben Mauerstein-Produktion genannt. Dann ging das eben weiter, haben wir eben mehr Sachen gemacht. Dann kamen mehr Leute dazu, die mir geholfen haben, ohne die so etwas auch gar nicht möglich ist. Das sind Leute, die machen mit, kommen und gehen wieder. Es sind auch andere Leute, die wieder mitmachen. Im Grunde genommen ist Mauerstein-AG auch eine Sache, ein Witz, ein Spaß an sich. Es ist jetzt nicht so etwas: Mauerstein-AG, ja, der gehört dazu, und der gehört nicht dazu und zack, zack und so etwas. Das ist einfach bloß ein Spaß.“
Peter Wawerzinek:
„Deine Bilder sind nun sehr comicnah, eine Sache, die hier sowieso fehlt. Und dann haben sie auch eine ganz bestimmte Gruppe von Leuten, die sie nun mit einbeziehen.“
Igor Tatschke:
„Was meinst du jetzt, welche Gruppe?“
Peter Wawerzinek:
„Ich meine jetzt vom Aussehen her, was man eventuell punknahe nennen könnte, also die Schrillheit, die Buntheit mit einbezieht. Und dahin würde ich jetzt noch einmal fragen, ob das nun …“
Igor Tatschke:
„Meinst du jetzt: fast schon ideologieverbunden ist?“
Peter Wawerzinek:
„Ob da irgendwie eine Ideologie dahintersteckt.“
Igor Tatschke:
„Na ja, wenn Fun oder Spaß eine Ideologie ist, dann schon.“
Peter Wawerzinek:
„Eine Frage hätte ich noch, und zwar, wie lange du das schon gemacht hast, also wann du angefangen hast, überhaupt mal zu zeichnen – sicher ganz früh –, wie die Ausstellung zustande gekommen ist und wie lange sie noch zu sehen sein wird und was du dir selber erhoffst.“
Igor Tatschke:
„Also, erst einmal: Die Ausstellung ist bis Ende November zu sehen. Und wer noch was merkt, sollte hingehen.“
Peter Wawerzinek:
„Erst mal klar.“
Igor Tatschke:
„Und ansonsten: Wie lange ich Bilder male, kann man eigentlich nicht sagen. Sagen wir mal so: Jeder malt mal irgendwas. Aber in den letzten drei Jahren, sagen wir mal so, hat sich das so ein bisschen verdichtet. Und die meisten Bilder, die zu sehen sind, sind eigentlich in diesem Jahr gemalt, weil ich dazu erst gekommen bin. Weil, vorher habe ich gearbeitet. Und wenn man arbeiten geht, so regelmäßig, kann man einfach nicht so viel Bilder malen und sich damit auch nicht richtig auseinandersetzen und so. Na ja, und damit das geht, habe ich geheiratet – und nicht nur deswegen – und bin Hausmann sozusagen. Und hab deswegen auch … von der staatlichen Seite kann ich das sozusagen dann machen, kann ich dann den ganzen Tag malen.“
Quelle: Radio Glasnost, Oktober 1987